[460] Gründung, Errichtung einer wirtschaftlichen Unternehmung, insbes. einer neuen Aktiengesellschaft unter Feststellung des Gesellschaftsvertrags. Das Wort G. war vor 1884 der Sprache unsrer Gesetzgebung fremd. Diese bot keine genügende Handhabe zur Prüfung des Gründungsherganges und um die Gründer für die Richtigkeit ausgegebener Prospekte etc. verantwortlich zu machen. Den Gründern wurde es, zumal in Zeiten hochgehender Unternehmungslust, möglich, auf Kosten eines vertrauensseligen, aber nicht genügend sachkundigen Publikums große Gewinne zu ziehen. Anfang der 1870er Jahre (sogen. Gründerzeit) wurden viele faule Gründungen ins Leben gerufen und infolgedessen mit dem Wort »gründen« der Nebenbegriff des Unsoliden und Betrügerischen verbunden. Diesen Übelständen sucht das Gesetz vom 18. Juli 1884 vorzubeugen. Dieses will nicht allein »rücksichtlich der G. der Gesellschaft die vollständige und richtige Zusammenbringung des Grundkapitals sichern und offenlegen«, sondern auch »das Verfahren bei der G. so gestalten, daß die Gründer, d. h. diejenigen Aktionäre, die das Statut festgestellt haben, oder die andre als durch Barzahlung zu leistende Einlagen machen, gegenüber der zu gründenden Gesellschaft hervortreten, und daß ihr selbsttätig eine sachliche Prüfung und Entschließung ermöglicht und dem Registerrichter die formelle Prüfung erleichtert wird«. Das Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 hat keine prinzipiellen Änderungen getroffen, sondern die Gedanken des Gesetzes vom 18. Juli 1884 weiter fortgebildet, z. B. durch die Hebung der Stellung der Revisoren. Der Gesellschaftsvertrag ist durch mindestens fünf Personen, die Aktien übernehmen, in gerichtlicher und notarieller Verhandkung[460] festzustellen und im Statut der ganze Gründungsvorgang klarzulegen. Dann sind alle zugunsten einzelner Aktionäre bedungenen besondern Vorteile unter Bezeichnung der Berechtigten, ferner die nicht in Bargeld geleisteten Einlagen (Apports) und übernommenen Vermögensstücke sowie die dafür hingegebenen Aktien oder gewährten Vergütungen unter Angabe der dem Erwerb der Gesellschaft vorausgegangenen Rechtsgeschäfte, die auf diesen hingezielt haben, sowie der frühern Erwerbs- und Herstellungspreise aus den letzten zwei Jahren, endlich auch die den Gründern für ihre Mühewaltung zuerkannten Entschädigungen und Belohnungen im Gesellschaftsvertrag festzusetzen. Gründungen dieser Art werden gewöhnlich als qualifizierte bezeichnet. Die Mitglieder vom Vorstand und Aufsichtsrat haben den Hergang der G. zu prüfen. Sind Mitglieder zugleich Gründer oder haben sie der Gesellschaft ein Vermögensstück überlassen oder sich einen besondern Vorteil ausbedungen, so muß außerdem eine Prüfung durch besondere Revisoren (Handelsgesetzbuch § 192194) stattfinden. Mitglieder vom Vorstand und Aufsichtsrat, denen nachgewiesen wird, daß sie bei Prüfung des Gründungsherganges die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes verletzt haben, haften der Gesellschaft subsidiär, d. h. hinter Gründern, Gründergenossen und Emissionshäusern (Handelsgesetzbuch 3204) für den entstandenen Schaden (Handelsgesetzbuch § 202). Die Errichtung der Gesellschaft liegt erst vor, wenn das ganze Grundkapital übernommen ist; bei der Simultangründung fällt sie mit dem Abschluß des Gesellschaftsvertrags zusammen, bei der Sukzessivgründung kann sie erst nach Anmeldung beim Registerrichter und Einberufung der Generalversammlung erfolgen (vgl. Aktie, S. 238). Die Gründer haften für die Richtigkeit und Vollständigkeit der von ihnen im Gesellschaftsvertrag aufzunehmenden Angaben über die Gründungsvorgänge als Gesamtschuldner; sie haben unbeschadet der Verpflichtung zum Ersatze des sonst etwa entstehenden Schadens insbes. einen an der Zeichnung des Grundkapitals fehlenden Betrag zu übernehmen, fehlende Einzahlungen zu leisten, für den Ausfall auszukommen, der durch Zahlungsunfähigkeit eines Aktionärs entsteht, sofern ihnen diese bei der Anmeldung des Gesellschaftsvertrags bekannt war, und eine Vergütung, die nicht unter dem zu bezeichnenden Gründungsaufwand aufgenommen ist, zu ersetzen. Die gleiche Verantwortlichkeit und Haftung wurde den sogen. Emissionshäusern auferlegt, d. h. denjenigen Banken etc., die vor der Eintragung des Gesellschaftsvertrags in das Handelsregister oder in den ersten zwei Jahren nach der Eintragung eine öffentliche Ankündigung erlassen, um Aktien in den Verkehr zu bringen. Neben ihnen und den Gründern haften als Gesamtschuldner die sogen. Gründergenossen, d. h. der Empfänger einer verheimlichten Gründervergütung, sowie jeder Dritte, der wissentlich zu dieser Verheimlichung oder im Fall einer böslichen Schädigung durch Einlagen oder Übernehmen zu dieser Schädigung wissentlich mitgewirkt hat. Die Zusicherung eines Bezugsrechtes auf die Aktien einer spätern Emission im Statut ist verboten (Handelsgesetzbuch § 283). Endlich will das Gesetz verhindern, daß die Gründer sich für längere Zeit in Vorstand und Aufsichtsrat festsetzen. Vgl. § 231, Abs. 3; § 243. Weiter enthält das Gesetz Strafbestimmungen, durch die das Publikum gegen falsche Angaben, Vorspiegelungen, überhaupt gegen ihm aus der G. drohende gesetzwidrige Übervorteilungen geschützt werden soll. Um Kursdruck zu verhüten, verpflichten sich häufig bei Umwandlung bestehender Unternehmungen in Aktiengesellschaften die Veräußerer oder auch bei Auslegung zu öffentlicher Zeichnung Zeichner, gegen Einräumung gewisser Vergünstigungen ihre zu dem Zweck zu deponierenden Aktien binnen bestimmter Frist nicht zu verkaufen (Sperrung der Aktien). Unter Nachgründungen versteht man Verträge, durch welche die Gesellschaft Betriebsanlagen oder Immobilien für eine den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll. Diese bedürfen der Zustimmung der Generalversammlung, falls sie vor dem Ablauf von zwei Jahren seit Registrierung der Gesellschaft geschlossen werden (Handelsgesetzbuch § 207). Vgl. Berner, Die G. und die Geschäftsführung der offenen Handesgesellschaften, Kommanditgesellschaften, Aktiengesellschaften etc. (Leipzig 1904).