Großwardein

[428] Großwardein (ungar. Nagyvárad, spr. nádjwārad oder Várad), Stadt mit Munizipium, Sitz des ungar. Komitats Bihar und Knotenpunkt von 6 Bahnlinien (nach Budapest, Klausenburg-Predeal, Gyoma, Szegedin, Vaskóh und Érmihályfalva), eine der ältesten Städte des Landes, liegt zu beiden Seiten der Schnellen Körös, über die 4 Brücken und 2 Eisenbahnbrücken führen, und hat auf einer von der Körös und dem Flüßchen Pecze gebildeten Halbinsel eine uralte Festung (jetzt Kaserne). G. hat 17 Kirchen (eine griechisch-oriental. Pfarrkirche im Bau) und 6 Klöster, darunter 2 Kathedralen (die römisch-katholische mit Fresken von Schöpf und Storno), 2 bischöfliche Palais (das des römisch-kath. Bischofs mit Bibliothek), ferner Domherrenhäuser mit einer Säulenhalle, eine neue Kavalleriekaserne, viele prächtige öffentliche und Privatgebäude (ein neues Theater und Rathaus), ein 1892 enthülltes St. Ladislaus-Monument und die Statue des Bischofs Szaniszló. Die Einwohner (1901: 50,177 Seelen), darunter 44,750 Magyaren (Rumänen nur 3335), gehören verschiedenen Religionen an (15,391 sind römisch-katholisch, 14,984 reformiert, 12,294 Israeliten etc.) und betreiben besonders Spiritus- (6 Fabriken, in Verbindung mit Viehmästung) und Mühlenindustrie (3 Dampfmühlen), 4 Essigfabriken, eine Maschinenfabrik, 6 Ziegelbrennereien, Fabrikation von Ofen, Preßhefe, Kunstdünger; ferner Viehzucht, Obst- und Weinbau. G. hat eine Wasserleitung, 4 Bäder, eine Straßenbahn, ferner zahlreiche Lehr- und Humanitätsanstalten (Rechtsakademie, Prämonstratenser-Obergymnasium, staatliche Oberrealschule, 2 theologische Seminare, 3 Präparandien, eine Landeshebammenschule, mehrere Spitäler, ein neues staatliches Findelhaus etc.), ein archäologisches, ein Kunst- (Ipolyi-) Museum, eine (literarische) Szigligeti-Gesellschaft, einen Biharer Karpathenverein, den Rhédeypark mit Mausoleum, ein großes Zellengefängnis etc. und ist Sitz eines römisch-kath. und griechisch-kath. Bistums, einer königlichen Tafel, eines Gerichtshofs, einer Finanzdirektion, einer Post- und Telegraphendirektion, einer Handels- und Gewerbekammer etc. G. ist Geburtsort des ungarischen Dramatikers Eduard Szigligeti und enthielt in der Festungs- (St. Ladislaus-) Kirche, an deren Stelle ehemals die Basilika stand, die Gräber des heil. Ladislaus, von 5 Königen und einer Königin. In der Nähe liegen, mit G. durch Zweigbahn verbunden, die Bäder Bischofsbad (auch Sankt Ladislaus-Bad, ungar. Püspökfürdö) und Felixbad, mit Parkanlagen und alkalischen Schwefelquellen (34–40°), in deren Abfluß die seltene Thermen-Seerose wächst. – Das Bistum G. wurde von Ladislaus dem Heiligen um 1080 begründet, 1241 wurde die Stadt von den Tataren zerstört (vgl. Rogerius). Am 24. Febr. 1538 wurde in G. der Friede zwischen Ferdinand I. von Österreich und Zapolya geschlossen. 1557 kam G. in den Besitz der Fürsten von Siebenbürgen. 1598 wurde die Stadt vergebens von den Türken belagert, 1660 aber eingenommen und ihnen auch im Frieden von Vasvár völlig überlassen. Erst 1692 fiel sie wieder an Ungarn. Als 1848–49 die ungarische Regierung nach Debreczin flüchtete, wurden Archive, Banknotenpresse etc. nach G. gebracht. Vgl. »G. und seine Umgegend« (Großward. 1872); Bunyitai, Geschichte des Großwardeiner Bistums (das. 1883–84, 3 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 428.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika