Hemsterhuis

[164] Hemsterhuis (spr. -hems), 1) Tiberius, Philolog, geb. 1. Febr. 1685 in Groningen, gest. 7. April 1766 in Leiden, studierte in Groningen und Leiden und ward 1704 Professor der Mathematik und Philosophie am Athenäum in Amsterdam, 1720 Professor der griechischen Sprache in Franeker, 1740 der griechischen Sprache und Geschichte in Leiden. H. gab dem verfallenen Studium der griechischen Sprache eine wissenschaftliche Grundlage und wurde der Stifter der holländischen Hellenistenschule. Seine Hauptwerke sind: »Pollucis Onomasticum« (mit Lederlin, Amsterd. 1706, 2 Bde.); »Luciani colloquia selecta et Timon, Cebetis tabula, Menandri sententiae morales« (das. 1708, 1732; Basel 1777); »Aristophanis Plutus« (Harling. 1744; vermehrte Ausg. von Schäfer, Leipz. 1811). Aus seinem Nachlaß gab Geel heraus: »Anecdota Hemsterhusiana« (Leiden 1825) und Friedemann: »Orationes et epistolae« (2. Aufl., Weilburg 1839). Vgl. Ruhnken, Elogium Hemsterhusii (Leid. 1768 u. ö.; zuletzt in Frotschers »Eloquentium virorum narrationes de vitis hominum excellentium«, Bd. 1, Leipz. 1826).

2) Franz, Philosoph und Archäolog, Sohn des vorigen, geb. 27. Dez. 1721 in Groningen, gest. 7. Juli 1790 im Haag, wurde während seines Studiums in Leiden befreundet mit Valckenaer und Ruhnken, bekleidete die Stelle eines ersten Kommis bei der Staatskanzlei der Vereinigten Niederlande und kam öfter in den Kreis der Fürstin Amalie Golizyn in Münster, in dem auch Jacobi und Hamann verkehrten. Mil ihr stand er in regelmäßigem Briefwechsel (s. Golizyn 8). H. ist von Herder für einen der größten Denker seit Platon erklärt worden; seine Philosophie, aus der Beschäftigung mit den Alten, insbes. mit Sokrates und Platon, aber auch mit Locke und Shaftesbury hervorgegangen, sucht zwischen Rationalismus und Sensualismus eine Vereinigung zu stiften. Seine Erklärung des Schönen, es sei das, was in kürzester Zeit die größte Menge von Vorstellungen erzeugt, ist von Jacobi und Goethe, deren persönliche Bekanntschaft H. gemacht hatte, gelobt und mit unwesentlichen Veränderungen zu der ihrigen gemacht worden. In seinen Schriften zeigt er sich als geschmackvoller Stilist und Kunstkenner. Einzeln erschienen: »Lettre sur les désirs« (Par. 1770); »Lettre sur l'homme et ses rapports« (das 1772); »Sophyle, ou de la philosophie« (das. 1773); »Alexis, ou sur l'âge d'or« (das. 1787; deutsch von Jacobi, Riga 1787); »Lettre de Dioclès à Diotime (Fürstin Golizyn) sur l'athéisme« (Par. 1787, deutsch in den Werken Jacobis). Seine »Œuvres philosophiques« gab Jansen heraus (Par. 1792, 2. Aufl. 1809), in neuer Ausgabe Meyboom (Leeuward. 1846–50, 3 Bde.); deutsch erschienen sie Leipzig 1782–97 in 3 Bänden. Vgl. Tydeman, Proeve cener lofrede op Franz H. (Leid. 1834); Grucker, François H., sa vie et ses œuvres (Par. 1866); Eugen Meyer, Der Philosoph Franz H. (Bresl. 1893).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 164.
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