Jókai

[296] Jókai (spr. jōkaï), Moritz, berühmter ungar. Schriftsteller, geb. 19. Febr. 1825 in Komorn, gest. 5. Mai 1904 in Budapest, erlangte 1846 das Advokatendiplom, beschäftigte sich jedoch ausschließlich mit Literatur und veröffentlichte 1846 seinen ersten Roman: »Hétköznapok« (»Werktage«), der bereits das bedeutende humoristische Talent des Dichters verriet. 1847 übernahm er die Redaktion der Wochenschrift »Életképek« (»Lebensbilder«) und war seit 15. März 1848 einer der literarischen Stimmführer der Freiheitsbewegung. Anfang 1849 floh er zugleich mit der ungarischen Regierung und den Abgeordneten nach Debreczin und redigierte daselbst die »Esti lapok« (»Abendblätter«). Seit 1849 mit der damaligen ersten tragischen Schauspielerin Ungarns, Rosa Laborfalvi (geb. 1820 in Miskolcz, gest. 20. Nov. 1886), verheiratet, lebte er teils in Budapest, teils in seinen Villen im Ofener Gebirge und in Füred am Plattensee, unausgesetzt eine staunenswerte literarische Tätigkeit entfaltend. J. hatte bis zu seinem 50. Geburtstag[296] bereits nahe an 200 Bände veröffentlicht, darunter 29 Romane, zusammen 100 Bände stark, 2 Bände Gedichte, 2 Bände dramatische Dichtungen, 6 Bände Sammlungen humoristischer Aufsätze, 48 Bände Novellen etc. Dabei war er seit 1858 ununterbrochen als Redakteur tätig; er redigierte 1858–81 die humoristische Wochenschrift: »Üstökös« (»Komet«), zuletzt war er Chefredakteur des Regierungsblattes »Nemzet« (»Nation«) und auch im Feuilletonteil andrer Blätter tätig. Als Abgeordneter gehörte er der liberalen Regierungspartei an; 1897 wurde er ins Magnatenhaus berufen. 1899 heiratete er zum zweitenmal, und zwar die jugendliche Schauspielerin Bella Nagy. Seinen literarischen Ruhm begründete er hauptsächlich mit seinen Romanen, in denen zuerst der Einfluß Victor Hugos, dann der Jules Vernes, später der der französischen Realisten erkennbar ist, und von denen viele zuerst ins Deutsche und dann aus dieser Sprache in zahlreiche andre europäische Sprachen übersetzt wurden. Sie zeichnen sich insgesamt durch lebhafte Phantasie, spannende Fabel, durch gesunden Humor und Glanz und Farbe der Sprache aus. Die bedeutendern sind: »Die weiße Rose« (1854); »Die Türkenwelt in Ungarn« (1855); »Ein ungarischer Nabob« (1856); »Schwarze Diamanten« (1870); »Wie man grau wird« (1872); »Die Narren der Liebe« (1873); »Ein Goldmensch« (1873); »Der Mann mit dem steinernen Herzen« (1874); »Der Roman des künftigen Jahrhunderts« (1876); »Mein, Dein, Sein« (1876); »Komödianten des Lebens« (1877); »Rab Ráby« (1880); »Pater Peter« (1881); »Die armen Reichen« (1881); »Ein Frauenhaar« (1883); »Ein Spieler, der gewinnt« (1883); »Durch alle Höllen« (1884); »Die weiße Frau von Leutschau« (1884); »Nach zehn Jahren« (1885); »Der Zigeunerbaron« (1885); »Kleine Könige« (1886); »Die Dame mit den Meeraugen« (1889); »Reiche Arme« (1891); »Die beiden Trenk« (1894); »Wie schade, altern zu müssen!« (1896); »1848« (1897); »Ein bejahrter Mann ist kein alter Mann« (1898); »Kathlannet« (1899). Geringern Erfolg erzielte J. mit seinen dramatischen Werken. Seine politischen Gedichte erschienen 1880 (2 Bde.), »Ausgewählte Schriften« von ihm erschienen deutsch Budapest 1881–83 (120 Lfgn.). Eine Prachtausgabe seiner Werke in 100 Bänden erschien 1898. Er war seit 1858 Mitglied der ungarischen Akademie, seit 1860 Mitglied der Kisfaludy-Gesellschaft, seit 1878 Präsident der Petöfi-Gesellschaft. Vgl. L. Névy, Moritz I., Festschrift zu seinem 50jährigen Schriftstellerjubiläum (ungar., Pest 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 296-297.
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