Keewatin

[799] Keewatin (spr. kī-, indian. »Nordwind«), Distrikt von Kanada (s. d. [S. 530] mit Karte), 1876 organisiert, umfaßt den größten Teil der Landschaft im W. der Hudsonbai, die man früher als Hudsonien bezeichnete, zwischen 50. und 70.° nördl. Br. und 83. und 100.° westl. L., umgrenzt im N. von Franklin, zu dem außer den arktischen Inseln auch die Halbinseln Boothia Felix und Melville gehören, im S. jenseit des Albany und English River von Ontario, im W. von Manitoba, Saskatchewan, Athabaska und Mackenzie, und umfaßt 1,210,000 qkm (einschließlich 138,000 qkm Wasserfläche) mit (1901) 8546 Einw., das ist etwa 0,007 auf 1 qkm. Es besteht aus einer allmählich gegen W. bis 180 m aufsteigenden, sandbedeckten Küstenebene, die in einer sehr jungen geologischen Zeit vom Meere überflutet gewesen ist, und einer bis 600 m hohen innern Stufe, in der flache Fels- und Gletscherschuttrücken mit schwach eingegrabenen Tälern wechseln. Das Grundgestein ist laurentischer Gneis, dem streckenweise huronische Schiefer und kambrischer Quarzit ausgelagert und Diorit-sowie Diabasdämme eingefügt sind. Den einzigen guten Naturhafen bildet der[799] Mündungstrichter des Churchill, einen viel schlechtern, aber mehr benutzten, der Mündungstrichter des Hayes River im Port Nelson, an dem die York-Faktorei der Hudsonbai-Gesellschaft liegt. Die tief eingreifenden Fjorde weiter im N. (Ranken Inlet, Chesterfield Inlet, Wager Inlet) bieten zwar guten Schutz, sind aber neun Monate im Jahr durch Eis unzugänglich. Die Flüsse zeigen in ihrem Charakter die Nachwirkungen der einstigen Vergletscherung, sie irren zwischen den niedrigen Fels- und Moränenrücken hin und her, haben auf weiten Strecken kein wirkliches Tal, stauen sich vielfach zu Seen und Sphagnumsümpsen (»Muskegs«) und stürzen in Gestalt von Wasserfällen oder Schnellen von jeder höhern Landstufe auf die tiefere; so der in den Chesterfield Inlet mündende Doobaunt River mit dem Aberdeen Lake und Baker Lake, der Ferguson River mit dem Kaminuriak Lake, der Thlewiaza River mit dem Nueltin Lake, der Seal River mit dem Great Lake, der Pawkathacuskow River mit dem Clawney Lake, der Churchill mit dem English und Indian Lake, der Nelson mit dem Winnipegsee, dem Croß Lake und dem Split Rock Lake, der Hayes mit dem Island Lake und Gods Lake, der Severn mit dem Severn Lake, der Weenisk River mit dem Weenisk Lake, der Athawaspiskat River mit dem Goose Lake, der Albany mit dem Cat Lake, dem St. Joseph Lake, dem Meminiska Lake und dem Eabimet Lake. Gute Kanustraßen mit vergleichsweise bequemen Tragplätzen (Portages) an den Schnellen bieten vor allem der Churchill und Hayes, denen daher die Handelszüge der Hudsonbai-Gesellschaft am meisten gefolgt sind. Der Nelson ist nur 65 km landein für kleinere Dampfer schiffbar, der Albany 400 km. Das Klima ist rauh, besonders in der Nähe der Küste, wo die York-Faktorei -5,6° Durchschnittstemperatur im Jahre,-23,9° im Januar und+13,4° im Juli hat, bei gelegentlichem Sinken auf -45° und seltenem Steigen auf+27°. Im Innern ist der Winter noch kälter, der Sommer aber wärmer. Die Südhälfte des Landes ist dicht mit Wald aus Fichten, Tannen, Lärchen, Birken, Pappeln, Erlen, Weiden bedeckt, die Schwarzfichte (Picea nigra) geht aber an der Küste nur bis an die Nelsonmündung, die Lärche (Larix americana) bis an die Sealmündung, während beide Bäume im Innern bis in das Gebiet des Doobaunt River verbreitet sind. Den äußersten Norden nehmen kahle »Barren Grounds« (s. d.) ein. Getreidebau dürfte nur in dem südlichsten Teile (besonders im Gebiete des Albany River) möglich sein, während Gemüsebau noch bei Fort York gelingt. Die Haupthilfsquellen von K. bestehen in der Jagd auf Pelztiere, so wie sie seit 1670 von der Hudsonbai-Gesellschaft gehandhabt worden ist. Das Monopol der Gesellschaft erkennt das kanadische Gesetz zwar seit 1869 nicht mehr an, tatsächlich ist sie aber immer noch die wirkliche Herrin des Landes, und die von ihr über Fort York ausgeführten Felle sind der Hauptausfuhrgegenstand. Betreffs einzelner Fellarten ist die Ausbeute zurückgegangen, so bei den Bibern von 1888–95 von 102,775 auf 44,151 Stück, bei den Luchsen von 78,555 auf 20,258, bei den Skunks von 16,322 auf 8828, bei den Ottern von 11,588 auf 7462, bei den Wolverenen von 2439 auf 634, bei andern Arten hat sie sich aber im allgemeinen auf der alten Höhe gehalten, so namentlich bei den Bisamratten (1895: 674,811 Stück), Zobeln (105,266), Weißfüchsen (4898), Rotfüchsen (12,850) und selbst bei den Bären (9992). In dem in das Gebiet fallenden Nordteile des Winnipegsees, auf dem vom Red River her Dampfer verkehren, ist neuerdings auch die Fischerei, besonders auf Weißfische, im Aufblühen, auf dem Nelson aber der Störfang. Die großen Holzvorräte sind einstweilen noch so gut wie unberührt. Die Bewohner sind in der großen Mehrzahl Indianer vom Stamme der Algonkinen, der Kree und der Athabasken sowie im N. Eskimo. Weiße finden sich nur in den Hudsonbaiposten und in der Gegend des Winnipegsees, wo namentlich eine verhältnismäßig starke Einwanderung aus Island stattfindet, und wo der kleine Flecken Norway House, am Austritt des Nelson aus dem See, die einzige wirkliche Ortschaft des Landes bildet. Indianermissionen unterhalten namentlich die Methodisten und Katholiken, die erstern mit einer Industrieschule in Norway House. Die Verwaltung des Distrikts liegt in den Händen eines Vizegouverneurs, der seinen Sitz in Winnipeg hat.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 799-800.
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