Kirschner

[71] Kirschner, 1) Martin, Oberbürgermeister von Berlin, geb. 10. Nov. 1842 zu Freiburg i. Schl., studierte die Rechte, bestand 1871 das Assessorexamen, wurde 1872 Kreisrichter in Nakel, bald Stadtrat und 1879 Stadtsyndikus in Breslau, legte aber sein Amt kurze Zeit darauf nieder, widmete sich der Rechtsanwaltschaft, ließ sich aber zum Stadtverordneten wählen und ward stellvertretender Vorsitzer der Stadtverordnetenversammlung. 1892 zum zweiten Bürgermeister und im Juni 1898 zum Oberbürgermeister von Berlin gewählt, erhielt er die königliche Bestätigung als letzterer erst 23. Dez. 1899. Die Verzögerung hatte ihren Grund in dem Konflikt, in den Magistrat und Stadtverordnete mit der Regierung dadurch gekommen waren, daß sie die Instandsetzung der Gräber der im März 1848 gefallenen Barrikadenkämpfer im Friedrichshain beschlossen, die Stadtverordneten sogar die Errichtung eines Denkmals gewünscht hatten.

2) Aloysia (Lola), unter dem Pseudonym Ossip Schubin bekannte Romanschriftstellerin, geb. 17. Juni 1854 in Prag, verlebte ihre erste Jugend auf einem Gut ihrer Eltern (Lochkow) und brachte später verschiedene Winter in Brüssel, Paris und Rom zu; jetzt lebt sie auf Schloß Bonrepos bei Lissa in Böhmen. Sie veröffentlichte unter dem erwähnten Pseudonym, das sie einem Roman TurgenjewsHelena«) entnommen hat, eine lange Reihe von Romanen und Novellen, die meist in wiederholten Auflagen erschienen sind. Wir nennen davon: »Ehre« (Dresd. 1882, 10. Aufl. 1902); »Mal' occhio und andre Novellen« (Berl. 1884); »Bravo rechts! Eine lustige Sommergeschichte« (Jena 1885); die Novelle »Ein[71] Frühlingstraum« (Augsb. 1884); »Die Geschichte eines Genies. Die Galbrizzi« (Berl. 1884); »Unter uns« (das. 1884, 2 Bde.); »Gloria victis« (das. 1885, 3 Bde.); »Erinnerungen eines alten Österreichers«, drei Erzählungen (Jena 1886); »Erlachhof« (Stuttg. 1887, 2 Bde.); »Etiquette«, eine Rokoko-Arabeske (Berl. 1889); »Dolorata« (das. 1888); »Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht« (das. 1888); »Asbein, aus dem Leben eines Virtuosen« (Braunschw. 1888), dessen Fortsetzung: »Boris Lensky« (Berl. 1889, 3 Bde.; 3. Aufl. 1897), das bedeutendste Werk der Dichterin; »Unheimliche Geschichten« (Dresd. 1889); »Bludička«, Erzählung aus dem slawischen Volksleben (Braunschw. 1890); »O du mein Österreich!« (Stuttg. 1890, 3 Bde.); »Heil Dir im Siegerkranz!« (Braunschweig 1891); »Gräfin Erikas Lehr- und Wanderjahre« (das. 1892, 3 Bde.); »Thorschlußpanik« (Dresd. 1892); »Ein müdes Herz« (Stuttg. 1892); »Finis Poloniae«, Roman (Dresd. 1893); »Toter Frühling« (Braunschw. 1893, 2 Bde.); »Woher tönt dieser Mißklang durch die Welt« (das. 1894, 3 Bde.); »Gebrochene Flügel« (Stuttg. 1894); »Maximum«, Roman aus Monte Carlo (das. 1896); »Die Heimkehr« (das. 1897); »Con fiocchi« (Dresd. 1897); »Vollmondzauber« (Stuttg. 1899); »Peterl«, eine Hundegeschichte (Berl. 1900, 10. Aufl. 1902); »Slawische Liebe« (Braunschw. 1900); »Im gewohnten Gleis« (Stuttg. 1901); »Marška« (das. 1902); »Refugium peccatorum« (Berl. 1903). Diese hastige Produktion der begabten Dichterin hat natürlich einen ungleichen Wert der Werke zur Folge gehabt. Ihre ersten Schriften sind besser als die spätern, und dort zeichnet sich Ossip Schubin durch eine ungewöhnliche Schärfe der Beobachtung, tiefe, oft sarkastische Charakteristik der künstlerischen Bohême und der internationalen Salongesellschaft, die sie mit Vorliebe schildert, und ungewöhnliche Kraft in der Stimmungspoesie aus. Ihre besondere Stärke zeigt sich in der Schilderung der österreichischen Militär- und Adelskreise.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 71-72.
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