Kyklische Dichter

[901] Kyklische Dichter (Kykliker), eine Reihe altgriechischer Epiker, die während der ersten 50 Olympiaden nach Homer die verschiedenen Kreise der um den Mittelpunkt der Homerischen Poesie lagernden Götter- und Heldensagen poetisch bearbeiteten. Man befaßte sie unter jenem Namen, weil ihre wichtigsten Dichtungen später mit Ilias und Odyssee zu einem epischen Kyklos, d. h. einem epischen Sagenkreis, vereinigt waren, der die Götter- und Heroenmythen von der Vermählung des Uranos und der Gäa bis zum Tode des Odysseus durch seinen Sohn Telegonos gab. Von diesen Dichtungen haben sich nur einzelne Verfassernamen, Titel und Fragmente und eine prosaische Inhaltsangabe des Grammatikers Proklos (s. d.) erhalten. Die Vorgeschichte der Ilias gaben die »Kypria« des Stasinos von Salamis auf Cypern (um 770 v. Chr.), die in elf Büchern die Ereignisse von der Hochzeit des Peleus bis zum Beginn der Ilias erzählten, die Fortsetzung die »Äthiopis« des Arktīnos von Milet in fünf Büchern, von den Kämpfen mit den Amazonen und dem Äthiopen Memnon und Achilleus' Tod, und die »Zerstörung Ilions« (»Iliu persis«) von demselben Dichter in zwei Büchern. Die Ereignisse vom Streit um die Waffen des Achilleus bis zur Einführung des hölzernen Rosses in Troja berichtete die »Kleine Ilias« des Lesches von Lesbos (um 700) in vier Büchern. Den Übergang zur Odyssee vermittelten die »Nosten« (Heimfahrten der Helden von Troja) des Agias von Trözen in fünf Büchern; unmittelbare Fortsetzung der Odyssee war die »Telegonie« des Eugammon von Kyrene (um 570) in zwei Büchern, von der Bestattung der Freier bis zum Tode des Odysseus. Außerdem gehörte zum Kyklos noch eine »Theogonie«, eine »Titanomachie«, die den Anfang bildeten, die »Ödipodie« des Kinäthon von Lakedämon, die »Thebais«, die »Epigonen«, vielleicht auch eine sehr alte Dichtung von der »Einnahme Öchalias« durch Herakles, für deren Verfasser Kreophylos, Homers angeblicher Schwiegersohn, galt, u. a. Die Kykliker waren den Tragikern und allen nachfolgenden Dichtern eine reiche Fundgrube; sie wurden später auch zum Zweck des Unterrichts von sogen. Kyklographen zu Mythensammlungen verarbeitet, deren Inhalt die Künstler durch bildliche Darstellung anschaulich machten. Unter andern befindet sich noch jetzt eine solche Tafel (marmor Borgianum) in Neapel, eine andre, die auf dem Kyklos eines Theodoros beruhende sogen. Ilische Tafel (Basrelief mit Inschriften), im Kapitolinischen Museum zu Rom. Sammlung der Fragmente der Kykliker bei Kinkel, Epicorum graecorum fragmenta, Bd. 1 (Leipz. 1877). Vgl. Welcker, Der epische Zyklus oder die Homerischen Dichter (Bonn 1835–49, 2 Bde.; Bd. 1 in 2. Aufl. 1865); Düntzer, Homer und der epische Kyklos (Köln 1839); O. Jahn, Griechische Bilderchroniken (Bonn 1873).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 901.
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