Odysseus [1]

[909] Odysseus (auch Olysseus, daher bei den Römern Ulixes, falsch Ulysses), im griech. Mythus König von Ithaka, Sohn des Laërtes und der Antikleia, Gemahl der Penelope und Vater des Telemachos. Infolge der Weissagung, er werde erst nach 20 Jahren heimkehren, suchte er sich der Teilnahme am Trojanischen Krieg durch verstellten Wahnsinn zu entziehen, als Menelaos, Nestor und Palamedes ihn zu holen kamen. Durch eine List des Palamedes jedoch entlarvt, zieht er mit zwölf Schiffen in den Krieg. Spätere Sage schildert ihn als feig, falsch und ränkevoll; bei Homer ist er unter den edelsten Helden, ausgezeichnet durch Tapferkeit, Klugheit, Verschlagenheit und Redegabe, und als Athenes Liebling. Überall, wo es gilt, Mut und Schlauheit an den Tag zu legen, ist er der erste. In Anerkennung seiner Verdienste erteilen ihm, nicht Aias, die Griechen nach Achills Tode dessen Waffen zu. Mit Diomedes erfüllt er die letzte Bedingung der Eroberung Trojas, den Raub des Palladion; auch ist er einer der in dem hölzernen Pferd verborgenen Helden. Gleich nach seiner Abfahrt von Troja beginnen seine zehnjährigen Irrfahrten (der Inhalt von Homers »Odyssee«, s. Homeros), die ihn zunächst zu den Kikonen, den Lothophagen und dem Kyklopen Polyphemos führten, durch dessen Blendung er sich Poseidons ihn fortan verfolgenden Zorn zuzog. Durch die Gunst des Äolos, des Herrn der Winde, schon in Sicht Ithakas, verschlagen ihn durch Schuld seiner Gefährten (s. Äolos 1) widrige Winde. Die Lästrygonen zerstören seine Schiffe bis auf eins. Auf der Insel Ääa verwandelt die Zauberin Kirke seine Gefährten in Schweine. Durch ein von Hermes empfangenes Kraut (Moly) erzwingt er die Entzauberung[909] seiner Gefährten und bleibt ein Jahr bei Kirke, auf deren Geheiß er auch in die Unterwelt steigt, um Teiresias über sein Schicksal zu befragen. Glücklich segelt er dann bei den Sirenen vorüber und durch Skylla und Charybdis. Als aber auf der Insel Thrinakia seine Gefährten die Rinder des Helios geschlachtet haben, zerschmettert Zeus das Schiff mit dem Blitz, und O. rettet sich auf die Insel Ogygia, wo ihn die Nymphe Kalypso sieben Jahre bei sich behält. Als er endlich, auf Zeus' Befehl entlassen, auf einem Floß weiterfährt, leidet er durch einen von Poseidon erregten Sturm vor der Insel der Phäaken Scheria Schiffbruch, gelangt aber mit Hilfe der Leukothea (s. d.) aus Land. Von der Königstochter Nausikaa zu ihrem Vater Alkinoos geführt und von diesem gastlich aufgenommen, wird er von den Phäaken endlich glücklich nach Ithaka gebracht. Hier findet er seine Gattin von zahlreichen Freiern, die in seinem Palast schwelgen, bestürmt. Er entdeckt sich seinem Sohn in der Hütte des Sauhirten Eumäos und bespricht mit ihm die Ermordung der Freier. In Bettlergestalt betritt er sein Haus, nur von einem alten Hund erkannt. Am andern Morgen findet ein Wettkampf der Freier statt, und wer O. ' Bogen spannen und einen Meisterschuß tun könne, soll Penelope heimführen. Keiner vermag es; da löst O. die Aufgabe, um dann, von Telemach, Eumäos und dem Rinderhirten Philôtios gedeckt, mit Athenes Beistand die Freier zu töten. Teiresias hatte O. geweissagt, ein sanfter Tod werde ihm im behaglichen Greisenalter aus dem Meere kommen; nach späterer Sage stirbt er von der Hand seines übers Meer gekommenen Sohnes von der Kirke Telegonos (s. d.). Vgl. Schmidt, Ulixes posthomericus (Leipz. 1885). S. auch Leukas, S. 480. – Die Kunst stellt seine Abenteuer häufig dar; gewöhnlich charakterisiert sie ihn durch den runden Schifferhut; Weiteres s. Homeros, S. 520; Literatur.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 909-910.
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