[79] Achilleus (lat. Achilles), der gefeiertste Held des griechischen Heroentums, Urenkel des Zeus, Enkel des Äakos, Sohn des Myrmidonenkönigs Peleus und der Meergöttin Thetis. Während Homer ihn von seiner Mutter im Vaterhause großziehen und mit seinem Freunde Patroklos aufwachsen läßt, unterrichtet von Phönix (s. d.) und Cheiron (s. d.), schmückt spätere Dichtung seine Jugend mannigfaltig aus. Um ihn unsterblich zu machen, salbt ihn Thetis bei Tage mit Ambrosia und hält ihn nachts ins Feuer; von Peleus dabei gestört, verläßt sie Gatten und Kind und kehrt zu den Nereiden zurück. Noch jünger ist die Sage, daß Thetis ihn durch Baden im Wasser des Styx am ganzen Körper unverwundbar gemacht habe mit Ausnahme der Ferse, an der sie ihn hielt. Nach Thetis' Entfernung bringt ihn Peleus zu Chiron, der ihn mit Bärenmark nährt und in allen ritterlichen und musischen Künsten unterweist. Bei Homer folgt A. sogleich mit Patroklos und dem alten Phönix der Aufforderung zum Zuge nach Troja. Nach späterer Sage bringt Thetis auf die Weissagung des Kalchas, Troja könne ohne A. nicht erobert werden, und seinen Tod in diesem Kriege voraussehend, den Neunjährigen nach der Insel Skyros, wo er in Weiberkleidern unter den Töchtern des Königs Lykomedes aufwächst und mit einer derselben, Deïdameia, den Neoptolemos zeugt; Kalchas verrät den Versteck, und Odysseus mit Diomedes entlarvt A. durch List: als Kaufmann verkleidet, breitet er vor den Mädchen allerlei Schmuck aus und legt Schild und Speer daneben, dann läßt er das Kampfsignal blasen, und A. greift nach den Waffen. Bei der ersten Landung der Griechen verwundet er Telephos (s. d.), bei der zweiten Kyknos (s. d.). Vor Troja ist er der Hauptheld, durch Heras und Athenes Gunst und eigne Vorzüge Freund und Feind überragend. In den neun ersten Kriegsjahren ist er Anführer der Griechen auf den zahlreichen Beutezügen in die Umgegend von Troja. Die Ereignisse des zehnten Jahres, die sein Zwist mit Agamemnon wegen der Entführung seiner Lieblingssklavin Briseïs (s. d.) veranlaßt, bilden den Inhalt von Homers »Ilias«. Auf Thetis' Fürbitte verleiht Zeus den Troern den Sieg, die ins Griechenlager eindringen und die Schiffe zu verbrennen anfangen, während A. sich mit den Seinen vom Kampfe fern hält. In der höchsten Not gestattet er dem Patroklos, in seiner Rüstung mit den Myrmidonen die Troer aus dem Lager zu werfen. Patroklos fällt von Hektors Hand; die Waffen sind verloren, nur der Leichnam wird nach heißem Kampf gerettet. Schmerz und Rachedurst lassen A. den Hader vergessen. Auf Thetis' Bitte von Hephästos mit neuen, prächtigen Waffen ausgerüstet, zieht er gegen Hektor aus, obgleich er weiß, daß er bald nach diesem sterben muß. Scharenweise mäht er die Feinde nieder; unter Trojas Mauern mit Hektor zusammengetroffen, jagt er ihn dreimal um die Stadt, durchbohrt ihn mit der Lanze und schleift den Leichnam am Wagen ins Lager, wo er ihn den Vögeln und Hunden zum Fraß hinwirft. Dann bestattet er Patroklos feierlichst und stellt ihm zu Ehren Leichenspiele an. Hektors Leichnam gibt er großmütig dem Priamos zur Bestattung zurück. Noch manche Heldentat vollbringt er (s. Memnon, Penthesileia); da erfüllt sich das von ihm selbst gewählte Geschick eines kurzen, aber ruhmreichen Lebens, statt eines langen, aber ruhmlosen. Am skäischen Tor traf ihn Apollos Pfeil, oder Paris schoß ihn in die allein verwundbare Ferse im Heiligtum des thymbräischen Apollo, wohin er sich unbewaffnet zur Vermählung mit Priamos' Tochter Polyxena begeben. Seine Asche wurde neben der des Patroklos und Antilochos in dem Leichenhügel auf dem Vorgebirge Sigeion beigesetzt. Bei Homer weilt seine Seele wie die aller Verstorbenen im Hades. Nach späterer Sage entführt Thetis den Leichnam vom Scheiterhaufen nach dem Eiland Leuke an der Donaumündung, wo der verklärte Held als Herrscher des Pontos mit Iphigenia (oder Medeia oder Helena) vermählt fortlebt. Er hatte zahlreiche Kultstätten, von denen die vornehmste die auf Sigeion war. Die Kunst stellte A. dem Ares ähnlich dar mit edlen und gewaltigen Körperformen und mähnenartig emporgebäumtem Haar. Von den nach ihm gewöhnlich benannten Statuen (z. B. A. Borghese in Paris) ist es zweifelhaft, ob sie nicht Ares darstellen.