[662] Lógos, ein griechisches Wort, das im allgemeinsten mit Wort oder Vernunft zu übersetzen ist und sich dann auf alle durch die Sprache dargestellten Äußerungen der Vernunft bezieht. Bald bedeutet es Sprache, Rede überhaupt; bald ungebundene Rede oder Prosa; bald Erzählung, Beschreibung und (vorzüglich in der Mehrzahl) Geschichte, daher unter Logioi Geschichtskundige, Gelehrte und Redner im Gegensatz zu den Dichtern, also Prosaisten überhaupt zu verstehen sind; bald bloße Worte im Gegensatz zur Wirklichkeit; bald Gedanke, Beweis, Grund, Rechnung, Proportion, Überlegung, Untersuchung, Lehrsatz, System, ja sogar Weisheit, Logik (s. d.) etc. In der griechischen Philosophie spielte der L. als immanente Weltvernunft von Heraklit an eine große Rolle, namentlich bei den Stoikern; in der daran sich anlehnenden jüdisch-alexandrinischen Religionsphilosophie bezeichnete L. den von Ewigkeit her gedachten Weltgedanken Gottes, der bei der Schöpfung aus Gott herausgetreten sei, den sogen. Sohn Gottes, den Abglanz der göttlichen Vollkommenheit, das beim Schöpfungswerk und bei der Erhaltung der Welt beteiligte Mittelwesen zwischen Gott und Welt. Der Evangelist Johannes benutzte diese Idee vom L. zur Darstellung des Verhältnisses Christi zu Gott und hat damit die christliche Dogmenbildung, insonderheit die Christologie (s. d.), stark beeinflußt. Vgl. L. Duncker, Zur Geschichte der christlichen Logoslehre (Götting. 1848); M. Heinze, Die Lehre vom L. in der griechischen Philosophie (Oldenb. 1872); Aall, Der L. Geschichte seiner Entwickelung in der griechischen Philosophie und der christlichen Literatur (Leipz. 1896–99, 2 Tle.).