Nikobaren

[692] Nikobaren (sanskrit. Nakkawāram, malaiisch Púlo Sembilan, »Neuninseln«), britisch-ind. Inselgruppe an der Südostseite des Bengalischen Meerbusens, südlich von den Andamanen und nordwestlich von Sumatra (s. Karte »Hinterindien«), zwischen 6°45´-9°16´ nördl. Br. und 92°41–93°47 ' östl. L., 1651 qkm mit (1901) 6310 Einw. Der Archipel besteht aus 10 größern und 9 kleinern Inseln, die in drei Gruppen zerfallen: eine nördliche mit zwei Inseln, von denen Kar Nikobar (147 qkm mit 3800 Einw.) die bedeutendere ist; eine mittlere mit 7 größern und 2 kleinern, darunter Kamorta (208 qkm mit 800 Einw.), Katschall und Nankauri; durch die Sombrerostraße getrennt: eine südliche mit 2 großen und 6 kleinen Inseln, darunter Groß-Nikobar (874 qkm) und Klein-Nikobar (168 qkm) mit zusammen[692] 1300 Einw. Die beiden letzten sind hoch (bis 643 m) und mit tropischem Urwald bedeckt, in dem eine besondere Palmenart (Orania) auftritt. Die nördlichen Inseln sind flach, von Kokospalmen bestanden, weit weniger fruchtbar. Geologisch bilden die von Korallenriffen umgebenen Inseln eine Fortsetzung der Gebirgskette des westlichen Birma und der Andamanen und bestehen wie sie aus gefalteter Trias von alpinem Charakter, aus flyschähnlichen Sandsteinen und Schiefertonen mit Serpentineinlagerungen und aus jüngerm Tertiär. Sie besitzen keine Vulkane, aber Petroleumquellen im Tertiär. Das Klima ist heiß, in den Wäldern und sumpfigen Gegenden ungesund, der Regenfall bedeutend (2500 mm jährlich), heftige Stürme herrschen Mai bis Juli. Das Hauptprodukt und Kokosnüsse (15 Mill. Stück, davon 5 Mill. ausgeführt), außerdem eßbare Vogelnester, Schildpatt, Trepang. Von Haustieren hält man Hunde, Schweine, Hühner. Fischfang bildet die Hauptbeschäftigung der Bewohner, die den Malaien zuzurechnen sind. Sie sind plump, aber kräftig, haben eine braune bis kupferrote Hautfarbe, breites Gesicht, flache Nase, großen Mund mit dicken Lippen, große Ohren, eigenartig geformte Augen, spärlichen Bartwuchs. Das schwarze Haar tragen die Männer lang, die Frauen kurz. Ihre Wohnungen erbauen sie auf Pfählen. Sie sollen schon seit 1500 Jahren Handel mit Kokosnüssen treiben. Die Inseln Kamorta und Nankauri bilden einen trefflichen, nach letzterer benannten Hafen. Die Sprache der N. ist voll von Kehl- und Nasenlauten und auf den einzelnen Inseln so verschieden, daß eine Verständigung schwer ist. Die verschiedenen Dialekte weisen Zusammenhänge mit den »mon-anamischen« Sprachen (s. d.) auf. Viele Sprachveränderungen bewirkt die Sitte des Tabu, indem zwar jedermann sich ein beliebiges Wort als seinen Namen wählen kann, dieses Wort aber nach seinem Tod aus Gespensterfurcht mit einem Bann belegt und durch ein andres ersetzt wird. Vgl. Man, Dictionary of the central Nicobarese language (Lond. 1889). Seit 1756 gehörte die Gruppe Dänemark, das sie Friedrichsinseln taufte und auf der Kar Nikobar die Niederlassung Neudänemark gründete. Das Klima raffte die ersten Ansiedler schnell dahin, weshalb auch Österreich die 1778 besetzten N. bald wieder aufgab. Zum zweitenmal wurde die dänische Flagge 1846 auf Kamorta geheißt, 1856 aber die Inselgruppe endgültig aufgegeben. England nahm 1869 Besitz und bildete aus den N. mit den Andamanen einen Verwaltungsbezirk. Eine Sträflingskolonie in Nankauri wurde 1890 wieder aufgegeben. Vgl. Rink, Die nikobarischen Inseln (Kopenh. 1847); Maurer, Die N. (Berl. 1867); Kloß, In the Andamans and Nicobars (Lond. 1903). Über die Bewohner vgl. Swoboda im »Internationalen Archiv für Ethnographie«, Bd. 5.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 692-693.
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