[154] Malaien (Orang Malaju, »herumschweifende Menschen«; hierzu Tafel »Malaiische Kultur I u. II«), im weitesten Sinne die von Blumenbach als malaiische Rasse zusammengefaßten Bewohner der Sundainseln und Malakkas sowie Australiens und Ozeaniens und zum Teil Madagaskars. Doch hat man die Bewohner des Australkontinents und Melanesiens längst ausgeschieden in Rücksicht auf körperliche und ethnologisch-linguistische Eigentümlichkeiten (s. unten). Dieser Menschenschlag hat sich von den Komoren bis zur Osterinsel, vom 61. bis 268. Längengrad, und zwischen Hawaï und Neuseeland, also über 70 Breitengrade, ausgedehnt. Als Ausgangspunkt muß man den Südosten des südasiatischen Festlandes ansehen. Vom linguistischen und kulturhistorischen Standpunkt aus zerfällt die malaiische Rasse in eine westliche, die M. im engern Sinn, und eine östliche, die Polynesier. Nach übereinstimmenden Überlieferungen verbreiteten sich die M. zuerst über den Indischen Archipel bis Buru und rückten von da zur Samoa- und Tongagruppe vor, um dann die polynesischen Inseln zu bevölkern. Als Zeitpunkt der Trennung in westliche und östliche M. nimmt Friedrich Müller das Jahr 1000 v. Chr. an. Nach ihren Körpermerkmalen gehören die asiatischen M. unter die kleinen Völker, während die polynesischen M. durch Körpergröße hervorragen. Namentlich die erstern haben viel mit den Mongolen gemein, das lange, straffe Haar, den spärlichen Bartwuchs, eine Trübung der Hautfarbe vom Weizen- und Ledergelb bis zum tiefen Braun, vorstehende Jochbogen und teilweise schiefe Augenstellung. Innerhalb der asiatischen M. sind wieder zwei Grundtypen zu erkennen, ein eigentlicher malaiischer und ein battascher, letzterer größer, stärker, mit hellerer Hautfarbe, lichterm Haar und weniger hervortretenden Backenknochen. Die asiatischen M. sind mesokephal, die Polynesier brachykephal; bei beiden ist die Höhe des Schädels ebensogroß oder auch etwas größer als dessen Breite. Der Prognathismus bleibt in mäßigen Grenzen. Je näher die Sitze der M. dem asiatischen Festlande liegen, desto häufiger wird die schiefe Stellung der Augen. Über die Sprachen der M. s. Malaiisch-polynesische Sprachen.
Die malaiische Völkerabteilung (mit Ausschluß der Polynesier) wird in folgende Unterabteilungen oder Stämme gesondert: 1) Die Tagalen oder Bisaya auf den Philippinen, zum Teil vermischt mit den schwarzen, bis auf geringe Reste von ihnen verdrängten Urbewohnern (Negrito). An sie sind, nach den Sprachmerkmalen, die Bewohner von Formosa und den Suluinseln anzuschließen. 2) Die eigentlichen M. auf Malakka und Sumatra. 3) Die Sundonesen im W. der Insel Java, ein Mittelglied zwischen den M., Javanern und Batta. 4) Die Javaner auf der Ostseite der Insel Java, das gebildetste Volk der malaiischen Rasse, dem sich die Balinesen und Maduresen anschließen. 5) Die Batta oder Battak im Innern von Sumatra mit den Bewohnern der Nias- und Batuinseln, denen die Hova auf Madagaskar nach der Sprachverwandtschaft am nächsten stehen. 6) Die Dajak oder, wie sie sich selbst nennen, Olo-Ngadschu auf Borneo, zu denen die Ot-Danom im Innern und die Biadschu im S. von Borneo gehören. 7) Die Makassaren im S W. und die Buginesen auf der Südwest- und Südostspitze von Celebes. 8) Die als Alfuren bezeichneten Bewohner des Nordens von Celebes und der Molukken. Vgl. Tafel »Asiatische Völker II«, Fig. 16.
Die eigentlichen M., deren Zahl man auf 31/2-4 Mill. veranschlagen kann, haben nach gewöhnlicher Auffassung ihre ursprüngliche Heimat auf Sumatra, wo das alte Reich Manang-Kabau noch im 15. Jahrh die ganze Mitte der Insel umfaßte. Von hier zog 1160 eine Abteilung unter Sri Tri Buwana nach der Ostküste und weiter zur Halbinsel Malakka, wo sie Singapur und, nachdem sie von dort 1252 durch die Javaner vertrieben, Malakka gründeten. Von hier breiteten sie sich über den Malaiischen Archipel aus und brachten ihre wohlklingende Sprache so zur Geltung, daß sie von Ceylon bis Neuguinea als eine Art Lingua franca gilt (s. Malaiische Sprache und Literatur). Auch waren die M. Verbreiter des im 13. Jahrh. von ihnen angenommenen Islam, aber als handeltreibendes Volk ohne Unduldsamkeit, wie sie es auch mit den religiösen Vorschriften nicht zu genau nehmen. In geistiger Begabung und Rührigkeit übertrifft der eigentliche Malaie alle andern Stämme seiner Rasse; wir finden bei ihm eine ungemessene Leidenschaftlichkeit, von der das sogen. Amok- oder Amucklaufen (s. d.) zeugt, beinahe krankhaftes Ehrgefühl, bis zur Tollkühnheit gesteigert e Todesverachtung, aber auch eine gewisse Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Als unternehmende Seefahrer und Kaufleute waren sie dem Ackerbau wenig geneigt,[154] doch ist die Kultur des Reifes bei ihnen ebenso uralt wie die Sklaverei, da alle Feldarbeit von Sklaven verrichtet wird (teils Kriegsgefangene, teils Schuldsklaven). Die politische Staatseinrichtung der M. hat einen aristokratischen Charakter. An der Spitze des Staates steht der Monarch mit dem Titel Radscha, Maharadscha, Dschang di Pertuan, als dessen tributpflichtige Vasallen die Großen des Reiches, die Orang Kaja, die einzelnen Provinzen verwalten. Unter ihnen wählt der Fürst die höchsten Beamten des Reiches, die Mantri. Als Handwerker sind die M. ausgezeichnet; besonders berühmt sind die Produkte der Weberei und Färberei, die Lederfabrikation, Tischlerei und Drechslerei, die Waffenfabrikation und Goldarbeiterkunst. Mit Gewinnung und Bearbeitung des Eisens sind die M. seit langem bekannt. Als Handwaffen gelten ihnen der Klewang, ein fast meterlanges Schwert, und der Kris (Dolch). Schleuder und Blasrohr mit kleinen vergifteten Pfeilen sind durch die Flinte verdrängt worden. Unter den Verteidigungsmitteln sind im Grase verborgene zugespitzte Pflöcke zu nennen. Seit Jahrhunderten waren die M. zur See der Schrecken aller Völker, ihre vortrefflichen Segler (Prauen, Prahus), bewaffnet mit langen Kanonen (Lilas), durchzogen in ganzen Flotten den Ostasiatischen Archipel, bis die Holländer ihnen allmählich das Handwerk legten. Die Häuser sind aus Holz oder Bambus auf Pfählen errichtet, mit Atap (dem Laub der Nipapalme) gedeckt und mit Matten ausgelegt. Eine Treppe führt von außen zur Plattform; die Feuerstelle liegt außen. Die Dörfer sind mit einer Erdmauer oder Palisaden umgeben und haben in der Mitte einen freien gepflasterten Platz für die Volksversammlungen. Der Raum unter der Hütte dient für das Kleinvieh. (Vgl. zu Vorstehendem die Abbildungen auf beifolgenden Tafeln.) Seine Frau erwirbt der Malaie durch Kauf zu unumschränkter Verfügung, so daß er sie wieder verkaufen und vererben kann. Diese Art der Heirat heißt Tschutschur. Ist aber der Bewerber arm, so tritt er als Sklave bei seinen Schwiegereltern ein und erhält dafür eine Frau. Die von den Holländern zu Recht belassenen Gesetze (adat) sind teils dem Koran entnommen, teils Überreste altmalaiischer und indischer Rechtsgebräuche. Diebstahl wird mit Geld bestraft, auch die Todesstrafe kann durch Zahlung abgelöst werden. Im übrigen sind die M. kriegerisch, und selbst die Gesetzgebung begünstigt den Gebrauch der Waffen und die Selbsthilfe. Wer tätlich beleidigt wird, darf mit seinem Gegner einen Kampf auf Leben und Tod beginnen. Nach dem Adat gilt das Neffenerbrecht (Schwestersöhne erben statt der eignen Kinder). Zu erwähnen ist noch die Spielwut der M. Außer mit Würfeln und Karten (chinesischen) spielen sie gern Schach; alle kauen Betel. Malaiische Staaten von hervorragender Bedeutung gibt es heute nicht mehr, sie sind alle mehr oder weniger in Abhängigkeit von den Engländern und Holländern. Doch haben sie weder Religion noch Gesetze u. Gebräuche angetastet. Vgl. Swettenham, The real Malay (Lond. 1900).