[466] Parsen (Gebern, Feueranbeter), die noch übrigen Anhänger der von Zoroaster (s. d.) gestifteten iranischen Nationalreligion, deren Anzahl sich in der Präsidentschaft Bombay in Indien nach der Volkszählung von 1891 auf 76,456 beläuft, wozu noch einige tausend in andern Teilen Indiens und des Orients und namentlich gegen 9000 in den persischen Landschaften Jezd und Kirman kommen. Die erstern wanderten aus ihrer Heimat aus, weil nach dem Sturz des Sasanidenreichs im 7. Jahrh. n. Chr. der Islam in ganz Iran mit Feuer und Schwert verbreitet wurde, und fanden ein Asyl in Gudscharat, von wo sie sich weiter nach Süden hin ausbreiteten. Heutzutage sind sie größtenteils in der Stadt Bombay ansässig, bilden aber durch ihren Reichtum und ihre soziale Stellung ein weit wichtigeres Element in der indischen Bevölkerung, als ihre geringe Zahl erwarten ließe. Ihr Reichtum stammt aus dem Handel, der in Bombay zum großen Teil in den Händen der P. konzentriert ist; namentlich der Opiumhandel wird von P. betrieben.[466] Neuerdings gehen viele P. zum Zweck juristischer Studien nach London und treten nach abgelegtem Examen in Indien als Anwälte (barristers) auf oder finden sogar Anstellung in dem indischen Zivildienst. Äußerlich sind die P. an ihren hohen, mit schwarzem Glanzstoff überzogenen Hüten kenntlich. Die Frauen tragen helle, farbige Gewänder und zeigen sich ungeniert auf der Straße. An ihrer alten Religion und den damit zusammenhängenden Gebräuchen halten die P. mit großer Zähigkeit fest, und die christlichen Missionare konnten bisher bei ihnen nichts ausrichten. Merkwürdig sind ihre Dakhma (»Türme des Schweigens«) auf dem Malabar Hill in Bombay und anderwärts in Indien, d.h. Begräbnisstätten, auf denen die Leichen den Vögeln zum Fraß ausgesetzt werden, ganz nach den Vorschriften des Zendavesta. In den schmucklosen Feuertempeln der P. wird das heilige Feuer fortwährend unterhalten. Die bestimmenden Charakterzüge ihrer Religion sind die Lehre, daß ein beständiger Kampf zwischen dem guten und dem bösen Prinzip stattfindet und am Ende der Welt das erstere triumphieren, das letztere vernichtet werden wird; die Ausbildung einer Kosmologie, einer Angelologie und Dämonologie und einer Lehre der Eschatologie; Anbetung der Natur, Vergötterung der Sonne und der andern Gestirne, religiöse Verehrung des Feuers und die peinlichste Vorsicht gegen Verunreinigung von Feuer, Erde und Wasser, insbes. gegen solche, die durch Berührung mit totem Stoff entsteht; Hochschätzung und Pflege der nützlichen Tiere, insbes. der Kuh; peinliche Beobachtung zahlreicher Ritualvorschriften, insbes. Zubereitung der heiligen Pflanze Haoma zu Opferzwecken. Die an verschiedene Gottheiten gerichteten Gebete ihrer heiligen Schrift, des Zendavesta (s. d.), sagen die P. auswendig her, aber ohne ihren Sinn zu kennen. Unter den Priestern, den Destûrs, ist neuerdings auf europäischen Impuls hin wieder ein lebhaftes Interesse für das Studium des Zendavesta und des Pehlewi (s. d.) erwacht. Die Priesterwürde ist bei den P. erblich, doch kann der Sohn eines Priesters auch in den Laienstand treten. Vgl. Spiegel, Avesta, aus dem Grundtext übersetzt (Leipz. 185263, 3 Bde.); Karaka, History of the Parsis (Lond. 1884, 2 Bde.); Houtum-Schindler, Die P. in Persien (in der »Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft«, Bd. 36, Leipz. 1882); Reuter, Die P. und ihre Schriften (Stuttg. 1893); Jackson, Die iranische Religion (im »Grundriß der iranischen Philologie« von Geiger und Kuhn, Bd. 2, Straßb. 1900); Menant, Les Parsis (Par. 1898); Henry, Le Parsisme (das. 1905).