[122] Polygamīe (griech., »Vielheirat«, Vielweiberei, Polygynie), eheliche Verbindung eines Mannes mit mehreren Frauen. Je nach der Zahl der Frauen, die mit einem Mann ehelich vereinigt sind, heißt die P. Bigamie, Trigamie etc. Sie ist über ganz Afrika verbreitet und bei fast allen asiatischen Völkern durch Sitte und Religion verstattet, in Amerika wurde sie unter den Indianervölkern nur vereinzelt angetroffen. In allen mohammedanischen Staaten ist P. gesetzlich anerkannt, doch tatsächlich weit seltener, als man meist annimmt; nur Wohlbemittelte können dort mehrere Frauen unterhalten. Der Perser darf gesetzlich nicht mehr als vier rechtmäßige Frauen zu gleicher Zeit haben; allein er darf daneben Weiber in unbeschränkter Zahl nehmen, die er auf eine vertragsmäßige Zeit ehelicht. Schon bei den alten Hebräern kam P. vor, wie jedenfalls auch bei manchen andern semitischen Völkern des Altertums; den Mohammedanern erlaubt der Koran (Sure 4) ausdrücklich die Ehe mit mehreren Weibern. In allen[122] christlichen Ländern wird die P. durch Kirche und Staat verpönt (vgl. Bigamie); nur die Mormonen erklären die P. mit Hinweis auf die Vielweiberei der Erzväter für eine Gott wohlgefällige Einrichtung. Auch in Deutschland traten zu manchen Zeiten Anhänger der P. auf (Wiedertäufer zu Münster 1533); und noch im 17. Jahrh. suchten Joh. Lyser, Lorenz Berger u. a. durch ihre Schriften die P. zu verteidigen, letzterer insbes. auf Anstiften des Kurfürsten von der Pfalz, der zwei Frauen nahm. Als Gründe für die Herrschaft der P. bei vielen Völkern werden angeführt: die schnelle Entwickelung und frühe Heiratsfähigkeit im Zusammenhang mit dem schnellen Verblühen des weiblichen Geschlechts im Morgenland und die ausdauernde Kräftigkeit der Männer. Das mag für die Kulturvölker dieser Regionen stimmen; für die Naturvölker tritt indessen zu dem Moment der raschern Entwickelung der Frau das dort mindestens ebenso wichtige Moment ihres wirtschaftlichen Nutzens. Je mehr Frauen, um so mehr Arbeiterinnen, und je mehr Töchter, um so größer bei dem ganz allgemeinen Vorherrschen des Brautkaufs der Reichtum. Weiter kommt dann in Betracht die geschlechtliche Enthaltsamkeit der schwangern und der stillenden Frau. Das Stillen dauert aber bei allen Naturvölkern oft drei, vier, auch mehr Jahre. Schließlich steigert die Führung eines möglichst großen Haushalts das Ansehen innerhalb des Stammes; lediglich aus solchen Motiven ersuchen oft Kaffernfrauen den Hausherrn, noch neue Frauen ins Haus zu nehmen. Vgl. die Literatur bei den Artikeln »Ehe, Gemeinschaftsehe und Polyandrie«. Strafrechtlich bedeutet P. die mehrfache Ehe, umfaßt also auch die polyandrische Geschlechtsverbindung. Die Strafbestimmungen sind dieselben wie gegen Bigamie (s. d.). Ist die Handlung außerhalb des Deutschen Reiches in einem Staate begangen, der die P. gestattet, so kann der Täter im Inlande nicht bestraft werden; doch ist dabei zu beachten, daß die Konsular-Jurisdiktionsbezirke (s. Konsul, S. 433 f.) strafrechtlich dem Inlande gleichstehen.