Adresse

[121] Adresse (franz.), die Aufschrift (»Anschrift«) bei Postsendungen und Telegrammen. Zur A. gehören alle Angaben, welche die Beförderung und Aushändigung an den Adressaten (s. d.) sicherstellen sollen. Bei Postsendungen muß sich die A. auf der Außenseite, bei Paketen außerdem auf der zugehörigen Paketadresse befinden, bei Telegrammen muß sie getrennt vom Text und der Unterschrift ausgeführt werden. Die A. muß den Bestimmungsort und den Adressaten in so bestimmter Bezeichnung enthalten, daß jeder Ungewißheit vorgebeugt wird. Bei Postsendungen nach Orten ohne Postanstalt ist in der A. außer dem Bestimmungsort noch diejenige Postanstalt anzugeben, von der aus die Bestellung bewirkt werden oder die Abholung erfolgen soll. Bei Briefen nach dem Auslande wird zweckmäßig in der A. die Sprache des Bestimmungslandes oder wenigstens lateinische Schrift angewendet; bei Briefen nach Rußland ist das Gouvernement, bei solchen nach den Vereinigten Staaten von Amerika der Staat und womöglich auch der Kreis (county, parish) dem Bestimmungsorte hinzuzufügen. Die Freimarken müssen auf den Sendungen stets oben rechts aufgeklebt werden. Bei Briefsendungen nach Berlin ist die Nummer der Bestellpostanstalt, z. B. Berlin W. 35, anzugeben. Über die A. auf postlagernden Sendungen s. Postlagernd. Auf der Außenseite gewöhnlicher und eingeschriebener Briefsendungen können außer der A. des Empfängers die A. des Absenders sowie weitere Angaben, die nicht die Eigenschaft einer brieflichen Mitteilung haben, und Abbildungen angebracht werden, sofern die Aufschrift deutlich und Raum für die Stempelabdrücke etc. bleibt. Bei Paketen muß die A. möglichst unmittelbar auf der Umhüllung angebracht werden; ist dies nicht möglich, so ist eine haltbar befestigte Fahne aus Pappe, Holz u. dgl. anzuwenden. Bei Telegrammen ist die Anwendung einer abgekürzten A. (»Drahtanschrift«), die vorher seitens des Empfängers mit der Telegraphenanstalt seines Wohnortes vereinbart worden ist, gegen eine Jahresgebühr von 30 Mark zulässig. Der Inhaber darf diese A. in den für ihn bestimmten Telegrammen an Stelle des vollen Namens und bez. der Wohnungsangabe anwenden lassen. Telegramme an Empfänger in Berlin ohne abgekürzte A. müssen, wenn sie durch Fernsprecher zugesprochen werden sollen, vor der A. Amt und Nummer des Fernsprechanschlusses enthalten.

Im politischen Sinne heißt A. eine Zuschrift, worin Bitten, Beschwerden, Vorstellungen oder sonstige Kundgebungen gewisser Gesinnungen, Grundsätze oder Ansichten enthalten sind. Adressen werden von Versammlungen oder Körperschaften, namentlich parlamentarischen, an die Staatsregierung oder an eine bestimmte Behörde oder an ein sonstiges öffentliches Organ gerichtet. Auch pflegen die Wähler nicht selten in einer A. ihrem Abgeordneten ein Vertrauens- oder Mißtrauensvotum zu erteilen. Die A. ist ein Ausdruck der Anerkennung, der Billigung oder Mißbilligung und unterscheidet sich dadurch von der Petition, die unmittelbar etwas verlangt, und der Resolution, die nur Wünsche und Anschauungen zum Ausdruck bringt. In manchen Verfassungsurkunden ist den Kammern der Krone gegenüber das Adreßrecht ausdrücklich eingeräumt. Die Verfassung des Deutschen Reiches enthält eine solche Bestimmung nicht. Nach der Geschäftsordnung des deutschen Reichstags wird der Antrag, eine A. an den Kaiser zu richten, wie ein andrer Antrag behandelt. Beschließt der Reichstag, die Vorberatung des vorgelegten Adreßentwurfs einer Kommission zu überweisen, so wird diese aus dem Präsidenten des Reichstags als Vorsitzendem und 21 von den Abteilungen des Reichstags zu wählenden Mitgliedern gebildet. Liegt ein Entwurf einer A. nicht vor, so ist dieser von einer in gleicher Weise zusammenzusetzenden Kommission auszuarbeiten und dem Reichstag zu unterbreiten. Soll die A. durch eine Deputation überreicht werden, so bestimmt der Reichstag auf Vorschlag des Präsidenten die Zahl der Mitglieder, welch letztere dann durch das Los gewählt werden. Der Präsident ist Mitglied und alleiniger Wortführer der Adreßdeputation. Adressen sind im parlamentarischen Leben namentlich als Erwiderung einer Thron rede gebräuchlich.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 121.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: