Regenmacher

[704] Regenmacher (Regenzauberer) finden sich bei fast allen Naturvölkern solcher Länder, in denen die Dürre eine häufiger wiederkehrende, gefürchtete Erscheinung ist. Gewöhnlich fällt das Amt dem Fetischmann (Feticeiro oder Schamanen) zu, doch betrachten die Neger meist auch den bei ihnen ansässigen fremden Missionar als »Himmelsdoktor«. Fast alle diese Völker verehren einen besondern Regengott, der gewöhnlich, wie der Jupiter Pluvius der Römer, mit dem Himmels- und Gewittergott zusammenfällt, zuweilen aber geradezu als der höchste Gott bezeichnet wird. Die Zeremonien, um Regen von ihm zu erlangen, bestanden in Europa meist in Bittgängen barfüßiger Frauen nach Bergen und Bergseen, woselbst man zur Symbolik der Bitte um Regen Wasser über heilige Steine ausgoß, wie dies bei Griechen, Römern. Germanen und Kelten geschah und noch heute unter dem Vorantritt der Geistlichkeit bei den Wallfahrten zur Regenquelle von Barendon im Walde von Breziliane, dem Schauplatz so vieler französischer, deutscher und englischer Ritterdichtungen (Iwein u. a.), geschieht. Auf ähnlicher Symbolik beruht die schon in Altdeutschland gebräuchliche und noch jetzt in Serbien, Bulgarien und Rumänien stattfindende Umherführung des ausschließlich in Laub und Blumen gekleideten Regenmädchens (serb. Dodola, bulg. Peperuga, rum. Papaluga), die vor den Häusern singend und tanzend immer wieder mit Wasser übergossen wird. Bei wilden Völkern werden vor den mit Schwirrhölzern (s. d.) herbeigerufenen Männern Zauberzeremonien vollbracht, um den Regengott (dem man in Nicaragua Rinder opferte) zu bezwingen. Mitunter verbinden die Zauberer meteorologisches Wissen mit ihren Künsten, indem sie ihre Zeremonien beginnen, wenn sie den nahenden Regen aus allerlei Anzeichen erkannt haben. So betrachten die Kolstämme von Tschata Nagpur ihren »großen Berg« (Marang Buru) als den Wohnsitz des gleichnamigen Regengottes und veranstalten Zeremonien auf dessen Gipfel, weil sie wissen, daß die ersten Wolken des heranziehenden Regenwetters an ihm sichtbar werden. Ganz ähnliche Kenntnisse besaßen die alten Hebräer, bei denen Elias den nahenden Regen nach langer Dürre aus einer leichten, vom Meer aufsteigenden Wolke erkannte.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 704.
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