Romŭlus und Remus

[126] Romŭlus und Remus, die Erbauer der Stadt Rom und Gründer des römischen Staates. Über ihre Geburt und Jugend berichtet die römische Sage folgendes: König Numitor von Albalonga wurde von seinem Bruder Amulius aus der Herrschaft verdrängt und seine Tochter zur Vestalin geweiht, um ihre Verheiratung zu verhindern. Gleichwohl gebar sie von Mars Zwillingssöhne. Amulius wollte sie in dem Tiberstrom aussetzen; der damit beauftragte Diener kam jedoch wegen einer Überschwemmung nicht an den Strom heran, und so blieb nach dem Ablaufen des Wassers die Mulde mit den Kindern an einem Feigenbaum am Fuße des Palatinischen Hügels (Ficus Ruminalis) hängen. Hier wurden die Knaben von einer Wölfin gesäugt, bis sie der Hirt Faustulus fand und seiner Frau Acca Larentia brachte. In dessen Hause wurden sie als seine Söhne unter dem Namen R. und R. großgezogen und machten sich, zu starken, mutigen Jünglingen herangewachsen, mit einer Schar gleichgesinnter Genossen durch kühne Raubzüge in der Umgegend furchtbar. Die Ergreifung des Remus durch Hirten des Numitor führte zu ihrer Erkennung, worauf die beiden Brüder Amulius töteten und Numitor in die ihm gebührende Würde wieder einsetzten. Sie selbst wanderten mit einer Anzahl Genossen nach dem Palatinischen Hügel aus, dem Orte, wo sie gerettet und erzogen worden waren. Nachdem aber hier die neue Stadt erbaut worden war, kam es bei der Entscheidung der Frage, wer von den Brüdern sie benennen und beherrschen sollte, zum Streit und endlich zum Handgemenge, in dem Remus getötet wurde, während nach einer andern Sage ihn Romulus im Zorn erschlagen haben soll, weil er spottend über die niedrige Stadtmauer gesprungen war. So gab Romulus der Stadt den Namen Rom und herrschte über sie als erster König 753–716 v. Chr. Er legte den Grund zu den wichtigsten politischen Institutionen, indem er den Senat bildete und das Volk in Tribus und Kurien einteilte. Auch verlieh er der waffenfähigen Mannschaft eine militärische Ordnung und hob das Ansehen der jungen Stadt durch erfolgreiche Kriege. Als er aber, da es ihr an Frauen fehlte, die Töchter der zu einem Fest eingeladenen Bewohner der umliegenden Ortschaften raubte, bemächtigten sich die Sabiner von Cures, hierüber aufgebracht, des Kapitols und waren in einer entscheidenden Schlacht auf dem spätern Forum bereits im Vorteil, als die geraubten Sabinerinnen sich zwischen die Kämpfenden warfen und Versöhnung stifteten. Die Sabiner vereinigten[126] sich nun mit den Römern zu Einem Volk unter dem Namen Quiriten (s. d.) und nahmen ihre Wohnsitze auf dem Kapitolinischen und Quirinalischen Berg; der Senat wurde durch 100 Sabiner verstärkt, und ihr König Titus Tatius teilte mit Romulus die Herrschaft, bis er sechs Jahre später in Lavinium erschlagen wurde. R. selbst wurde, als er nach einer Regierung von 37 Jahren auf dem Marsfelde das Volk musterte, bei einer plötzlichen Verfinsterung des Himmels zu den Göttern erhoben und seitdem unter dem Namen Quirinus (s. d.) als Gott verehrt. So sah die Sage in Romulus den Gründer der Stadt und ihrer kriegerischen Macht, den Schöpfer der wichtigsten politischen Einrichtungen. Vgl. Enmann, Zur römischen Königsgeschichte (Petersb. 1892).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 126-127.
Lizenz:
Faksimiles:
126 | 127
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika