[89] Schützengesellschaften (Schützengilden), Vereine von Bürgern, die sich im Gebrauch der Schußwaffen üben und in der Regel bald nach Pfingsten Schützenfeste mit Preisschießen veranstalten. Entstanden sind die nach Art der Handwerkerzünfte organisierten S., die wie jene in katholischen Gegenden auch vielfach zugleich kirchliche (meist den heil. Sebastian als Schutzpatron verehrende) Bruderschaften bilden, seit der Mitte des 14. Jahrh. In den mittelalterlichen Städten war die Gesamtheit der wehrfähigen Bürger zum Kriegsdienst verpflichtet. Während aber zum Gebrauch des Spießes, der gewöhnlichen Waffe, nach damaliger Anschauung eine besondere Ausbildung nicht nötig war, erschien eine solche bei denjenigen, die mit der Schußwaffe (Bogen oder Armbrust) ausgerüstet wurden, notwendig, und deswegen sorgte die Stadtobrigkeit schon im Frieden für eine dauernde Übung im Schießen, meist an Sonn- und Festtagen. Dem Geiste der Zeit entsprechend, schlossen sich die an jenen Übungen Beteiligten zu einer »Gesellschaft« zusammen, die halb offiziellen Charakter annahm und eine von der Obrigkeit genehmigte Verfassung ausbildete. Die Gesellschaft wählte später aus ihrer Mitte einen Hauptmann (Schützenmeister), einen Kleinodienmeister, der die Preise (Kleinode) versorgte, und einen Pritschenmeister, den Lustigmacher der Gesellschaft, der die schlechtesten Schüsse (Pritschenschüsse) mit einem Pritschenschlag ahndete; der Schützenkönig dagegen verdankte seine Würde seiner Treffsicherheit. Je mehr nun im Kriege die Feuerwaffe neben der alten Armbrust Verwendung fand, machte sich auch eine gesonderte Einübung beider Arten von Schützen notwendig. In Dresden benutzte ein Teil der Gesellschaft schon im Anfang des 16. Jahrh. das Feuerrohr, aber 1549 trennten sich beide Gruppen in zwei Gesellschaften, die der Armbrust- und die der Büchsenschützen. Die Schützenfeste der Städte des 15.17. Jahrh. waren großartige Veranstaltungen, zu denen die Gesellschaften auch weit entfernter Städte Abgeordnete schickten. Von dem Glanze, namentlich der niederländischen Schützenfeste, legen die großen Paradebilder (Doelenstücke, s. Doelen) von Rembrandt, Hals, Helst etc. lebendiges Zeugnis ab. Mit der Ausbildung der stehenden Heere seit dem 17. Jahrh. verloren die S. ihre alte Bedeutung für die Wehrverfassung, wenn auch z. B. in Kursachsen noch 1734 den S., und der Dresdener sogar noch 1809, die Sorge für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung übertragen wurde. In Berlin dagegen waren die S. 172747 völlig aufgehoben. Die alte Aufgabe der S., die öffentliche Sicherheit zu hüten, ging in der ersten Hälfte des 19. Jahrh. namentlich in Sachsen auf die nach französischem Muster gebildete Nationalgarde (s. d.) und auf die seit 1830 entstehenden Kommunalgarden über, denen alle wehrfähigen Bürger in gewissem Alter beizutreten verpflichtet waren; die S., die nur einen kleinen Teil der Bürger umfaßten, traten daneben zurück. Sie bestanden aber in den meisten Städten als private Gesellschaften zur Pflege des Schießspiels und der Geselligkeit unter ihren alten Namen fort. Neben der Scheibe hatte man als Ziel schon früh lebendige Tauben und Hühner, aber auch hölzerne Vögel (oft grüne Papageien, daher Papageien schießen, auch Gogen- oder Goyen schießen) benutzt; infolge der Bevorzugung der Vögel bürgerte sich allmählich der Name Vogelschießen oder Vogelwiese ein. Aber nun wurde es immer üblicher, andre Arten der Volksbelustigungen damit zu verbinden, Würfel- u. Schaubuden, Menagerien u. dgl. auf dem Festplatz aufzustellen, so daß das Schießen der Männer bei dem meist eine volle Woche währenden Feste nicht mehr im Mittelpunkte des Interesses stand. Als um die Mitte des 19. Jahrh. die Pflege des nationalen Gedankens die Turner ganz Deutschlands zusammengeführt hatte, machten sich ähnliche Bestrebungen auch unter den Schützen geltend, und es wurde nach dem Vorbilde der schweizerischen Freischießen 1861 ein allgemeines Schützen- und Turnfest in Gotha abgehalten. Dabei wurde die Gründung eines allgemeinen deutschen Schützenbundes verabredet und angebahnt, der seitdem »Bundesschießen« (seit 1872 in dreijährigen Zwischenräumen) abgehalten hat. Die örtlichen jährlichen Schützenfeste sind davon unberührt geblieben, sie sind allgemeine Volksbelustigungen, und die Schießübung ist bei ihnen desto mehr zurückgetreten, je seltener die mit Opfern verbundene Königs würde wirklich dem besten Schützen zuteil wird. Vgl. Hendel, Archiv für deutsche S. (Halle 1802, 3 Bde.); S. v. Förster, Die Schützengilden (Berl. 1856); Neubert, Die S. zu Dresden (Dresd. 1872); Jacobs, Die Schützenkleinodien und das Papageienschießen (Wernigerode 1887); Schoop, Geschichte der Ewaldus-Schützengilde in Düren (Dür. 1896); Edelmann, Schützenwesen u. Schützenfeste der deutschen Städte vom 13.18. Jahrhundert (Münch. 1890); Delaunay, Étude sur les anciennes compagnies d'archers, d'arbalétriers et d'arquebusiers (Par. 1879, mit Abbildungen).