[791] Rembrandt, eigentlich Rembrandt Harmensz van Ryn, holländ. Maler, geb. 15. Juli 1606 in Leiden als Sohn des Müllers Harmen Gerritsz, der nach seiner an einem Arm des Rheins gelegenen Mühle van Ryn genannt wurde, gest. 4. Okt. 1669 in Amsterdam, erhielt den ersten Unterricht durch den Maler J. van Swanenburgh und war dann sechs Monate lang Schüler von P. Lastman in Amsterdam.
Aber schon sein erstes datiertes Bild, der heil. Paulus im Gefängnis (Stuttgart), von 1627, zeigt ihn auf eignen Wegen. Er war dann längere Zeit in Leiden selbständig tätig, siedelte jedoch Ende 1631 oder Anfang 1632 nach Amsterdam über. Hier erhielt er zahlreiche Bestellungen und konnte 22. Juni 1634 eine Gattin, die schöne und wohlhabende Saskia von Uylenburgh, heimführen. Es folgte nun für R. eine Reihe glücklicher Jahre; er arbeitete außerordentlich viel, wurde gut bezahlt und konnte seiner Lust am Sammeln von Bildern und Kunstgegenständen freien Lauf lassen. 1639 kaufte er ein Haus, das aber nie völlig von ihm bezahlt wurde und so eine der Quellen seiner Geldsorgen wurde. Diese wurden seit dem Tode Saskias (1642) immer drückender, zum Teil durch die veränderten Geschmacksverhältnisse der Zeit, die ihm sein Publikum entfremdeten, und durch den allgemeinen Rückgang des Wohlstandes, zum Teil durch seine kostspieligen Neigungen als Sammler. 1656 verschrieb er aus Vorsicht Haus und Hof seinem Sohn Titus; zwei Monate darauf wurde er für zahlungsunfähig erklärt und 165758 seine Sammlung für den niedrigen Preis von 5000 Gulden, das Haus für 11,000 Gulden verkauft, ohne daß dadurch die Gläubiger befriedigt werden konnten. R. lebte seitdem in stiller Zurückgezogenheit bei seiner Geliebten und Haushälterin Hendrickje Stoffels und seinem Sohn Titus,[791] der jedoch schon ein Jahr vor ihm starb. Die Nachricht, daß er sich 16616218 Monate in London aufgehalten habe, ist wenig glaubhaft. Er wurde 8. Okt. 1669 begraben. 1852 ward ihm in Amsterdam ein Denkmal gesetzt. R. ist vielleicht der eigenartigste unter den großen Malern; ohne wissenschaftliche Vorbildung, ohne große Anleitung, erreichte er eine außerordentliche Höhe. Seine Stoffe sind meistens dem heimatlichen Leben entlehnt. Die derbste Figur im Volke gibt ihm Anlaß zum Studium und gewinnt unter seiner Hand einen packenden Ausdruck charakteristischer Wirklichkeit, der durch einen poetischen Hauch verklärt wird. Er benutzte seine Studien nach dem Leben aber auch, wenn er Szenen aus dem Alten und Neuen Testament darstellte, ohne Rücksicht auf geschichtliche Treue, die aber gerade deshalb um so wirkungsvoller sind; denn sie geben die geistige und materielle Atmosphäre, in der R. lebte und dachte, mit der Wahrheit des Sittenbildes wieder. Sein Hauptmittel malerischer Wirkung ist das Helldunkel. Aus Schatten und Dunkelheit läßt er in scharfer Beleuchtung die charakteristischen Stellen des Bildes kraftvoll hervortreten. Oft ahnt man die Formen nur. Nichtsdestoweniger beachtet er auch das Kleinste und Unscheinbarste und entfaltet eben in dem scheinbar Zufälligen einen eigentümlichen Reiz. Seine Malweise hat im Laufe der Zeit stark gewechselt: zuerst malte er mit seinem Pinsel in hellem, oft hartem Lichte. Dieser ersten Periode gehören außer dem erwähnten Paulus von 1627 der Geldwechsler (1627, Berliner Museum), die Gefangennahme Simsons (1628, königliches Schloß in Berlin), die Verleugnung Petri, die Darstellung im Tempel und andre im Privatbesitz befindliche Bilder kleinen Formats an, die sich durch scharfe Betonung der Lokalfarben mit grellem Licht kennzeichnen. Das erste Hauptwerk seiner zweiten Periode, während der er mit Th. de Keyser wetteiferte, ist die »Anatomie des Dr. Tulp« (1632, im Museum des Haag). In dieser Zeit entstanden auch die meisten seiner Selbstbildnisse und die seiner Gattin Saskia. In der Zeit von 163742 kam auf seinen Bildern ein goldig-brauner Ton zur Herrschaft, der sich schließlich zu dem für R. charakteristischen »farbigen Helldunkel« entwickelte, das die Zeit bis etwa 1654 beherrschte. An der Spitze dieser Epoche steht sein zweites Hauptwerk, die sogen. Nachtwache (1642, im Reichsmuseum zu Amsterdam), in Wirklichkeit kein Nachtstück, sondern der Auszug der Amsterdamer Schützengilde zur Tageszeit, der Gipfelpunkt seiner Helldunkelmalerei in goldigen Tönen; seine Behandlung ist hier gleichweit von Ausführlichkeit und Skizzenhaftigkeit entfernt. Der Nachtwache vorausgegangen ist sein zweites Hauptwerk aus dieser Zeit, das Doppelbildnis des Mennonitenpredigers Claasz Ansloo und einer Frau, der er Trost zuspricht (1641, Berliner Museum). Mit der Zeit steigerte sich seine malerische Behandlung zu außerordentlicher Kühnheit, seine Farbe ging mehr ins Braune über. Das Hauptbild dieser Zeit sind die Staalmeesters, d. h. die Vorsteher der Tuchmachergilde, in lebhafter Unterhaltung an einem Tisch sitzend (1661, im Reichsmuseum zu Amsterdam). R. entlehnte den Stoff zu einer großen Anzahl von Bildern dem Neuen Testament. Er stellte die heilige Familie dar auf der Rast während der Flucht nach Ägypten (Berlin und im Haag) oder, in bescheidener Handwerkerhäuslichkeit, die Familie des Schreiners (Louvre), die Familie des Holzhackers (Kassel). Gleicherweise in das Alltagsleben hineingestellt sind die Heimsuchung (von 1640, London), Christus zu Emmaus (Louvre), der barmherzige Samariter. Pathetisch ergreifend wirkt R. in den Bildern der Münchener Pinakothek: Kreuzaufrichtung und Abnahme vom Kreuz, voll wunderbarer Lichtwirkung, Grablegung. Auferstehung und Himmelfahrt. In seinen Bildern aus dem Alten Testament herrscht ein merkwürdig phantastischer Zug; Modelle aus dem Amsterdamer Getto, in orientalische Kostüme aus Rembrandts Zeit gesteckt, sollen uns die Welt des alten Judentums veranschaulichen. Solcher Art sind: Abrahams Opfer (Petersburg, Eremitage); Jakob, seine Enkel segnend (Kassel); Simson, seinem Schwiegervater drohend (Berlin); Simson, bei seiner Hochzeit Rätsel aufgebend (Dresden); die Blendung Simsons (1636, Frankfurt a. M.) und das Opfer Manoahs (Dresden). Mit besonderer Vorliebe behandelte er die Geschichte des Joseph, des Daniel, der Susanna (die schönsten Beispiele in Berlin) und des Tobias (Brüssel, Herzog von Arenberg, Louvre, Berlin, Sir Frederick Cook in Richmond). Von rein geschichtlichen Bildern des Künstlers scheint sich nur eins erhalten zu haben: die Verschwörung der Bataver unter Claudius Civilis gegen die Römer (1662, im Nationalmuseum zu Stockholm). Der Mythologie entlehnte er dagegen häufig seine Stoffe, obwohl seine Auffassung, der antiken vollständig entgegengesetzt, durchaus eigentümlich ist und nur auf malerische Wirkung ausgeht. Solcher Art sind: Diana und Aktäon (Anholt), der Raub des Ganymedes (Dresden), Raub der Proserpina (Berlin) u. a. Das Motiv zur sogen. Danaë in der Eremitage zu St. Petersburg scheint dem Alten Testament entnommen zu sein.
Das Gebiet, auf dem R. unzweifelhaft am größten, ja unübertroffen dasteht, ist das Porträt; keiner vor ihm verstand es, dem menschlichen Kopf ein so individuelles Gepräge zu verleihen und so viel malerisches Interesse abzugewinnen. Meisterhafte Werke dieser Art befinden sich namentlich in der Eremitage zu Petersburg, in den Museen von Berlin, Kassel, Dresden, Wien und London sowie in englischem und französischem Privatbesitz. Er malte oft interessante Modelle in allen möglichen Stellungen und Kostümen, vorzugsweise Köpfe alter Männer, Juden mit buschigem Haupt- und Barthaar. Eine besondere Vorliebe hatte er für die Darstellung seines eignen Porträts; wir besitzen von ihm gegen 60 Selbstbildnisse, die uns sein Aussehen von etwa seinem 20. Lebensjahr bis kurz vor seinem Tode vergegenwärtigen. Auf einem berühmten Dresdener Bild von etwa 1636 bildete er sich ab, das Weinglas schwingend, mit seiner Frau auf dem Schoß. Von den zahlreichen Bildern der letztern, die er gern in reichem Schmuck darstellte, befinden sich die hervorragendsten in Kassel und Dresden; das schönste Bild der Hendrickje besitzt der Louvre. Dazu kommen herrliche Bildnisse seines Vaters und seiner Mutter (das berühmteste von 1639, im Wiener Hofmuseum), seines Bruders, seiner Schwester und seines Sohnes Titus. Von den sonstigen bekannten Männern, die er porträtierte, seien der Arzt Ephraim Bonus (Amsterdam, Galerie Six), Nikolaus Bruyningh (Kassel), der Schreibmeister Coppenol (Lord Ashburton), Jan Six (Amsterdam, Galerie Six), der Prediger Swalmius (Antwerpen), der Advokat Tholing (Paris, Madame André), der Hofprediger Uytenbogaert (Mentmore, Lord Rosebery), von den Frauen die köstliche Frau Bas (Amsterdam, Reichsmuseum) genannt. Zu Rembrandts besten Leistungen im Porträtfach gehören auch die Schützen- und Regenten stücke, Porträtdarstellungen der Vorsteher einer Wohltätigkeitsanstalt,[792] der Offiziere einer Schützengilde, der Zuhörer eines Professors mit diesem. Die Anatomie des Professors Tulp, die Nachtwache und die Staalmeesters sind bereits genannt worden. Auch auf seinen Landschaften, bei denen er nicht nur die flachen Gegenden seiner Heimat, sondern gern auch Berge darstellt, spielt die Beleuchtung die Hauptrolle. Herrliche Beispiele enthalten die Galerien von Berlin, Braunschweig, Oldenburg und Kassel. Die Zahl seiner nachweisbaren Gemälde, deren Einfluß die ganze Folgezeit beherrschte und noch heute nachwirkt, beläuft sich auf über 550. Eine wesentliche Ergänzung seiner künstlerischen Tätigkeit bilden seine Radierungen, die ebensosehr den Höhepunkt der holländischen Radierkunst bezeichnen wie seine Bilder den der holländischen Malerei. Die Zahl der Blätter, die ihm mit einiger Sicherheit zugeschrieben werden können, beträgt ca. 250. Er entwickelte in ihnen eine ungeahnte Kraft der Charakteristik und erzielte durch sein Helldunkel großartige Wirkungen. Hervorzuheben sind: die drei Kreuze, Ecce homo, Christus die Kranken heilend (Hundertguldenblatt), Porträte Six, Haaring, Lutma, Tholing, dann die Landschaft mit den drei Bäumen. Die berühmtesten Sammlungen seiner Blätter besitzen Amsterdam, London (Britisches Museum), Paris (Nationalbibliothek), Wien (Albertina und Hofbibliothek), Berlin und Dresden (Sammlung des Königs Friedrich August 11.). Treffliche Stiche und Radierungen nach R. lieferten: Claessens, J. de Frey, J. G. Schmidt, Burnet, Den on, Unger, Massalow, Flameng, Kaiser, Waltner, Koepping u. a. Unter Rembrandts Schülern sind hervorzuheben: Gerard Don, Gerbrand van den Eeckhout, Philipp de Koninck, Govaert Flinck, F. Bol, Nicolaus Maes u. a. Vgl. Vosmaer, R., sa vie et ses œuvres (2. Aufl., Haag 1877); Michel, R., sa vie, son œuvre et son temps (Par. 1893); Knackfuß, Rembrandt (9. Aufl., Bielef. 1906); K. Neumann, Rembrandt (Berl. 1902); Bode und Valentiner (»R. in Bild und Wort«, das. 1906). Seine Gemälde gaben in Nachbildungen heraus: Bode (»R., beschreibendes Verzeichnis seiner Gemälde«, 18971906, 8 Bde.; daraus einzeln Hofstede de Groot, Die Urkunden über R., Haag 1906) und Rosenberg (»Klassiker der Kunst«, Bd. 2, 2. Aufl., Stuttg. 1906); seine Zeichnungen Lippmann mit Hofstede de Groot u. a. (bisher erschienen 8 Bde., Berl. u. Haag 18881906; vgl. dazu Hofstede de Groot, Rembrandts Handzeichnungen, Haag 1906). Kritische Kataloge und Nachbildungen seiner Radierungen: Blanc, L'œuvre de R. (Par. 1880, 371 Blätter); Dutuit, L'œuvre complet de R. (ca. 360 Blätter, das. 1883); Rovinski, L'œuvre gravé de R. (1000 Phototypien, Petersb. 1890); Singer, Rembrandts Radierungen in 402 Abbildungen (»Klassiker der Kunst«, Bd. 8, Stuttg. 1906). Vgl. v. Seidlitz, Kritisches Verzeichnis der Radierungen Rembrandts (Leipz. 1896); Hamann, Rembrandts Radierungen (Berl. 1906).
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