Seehandlung

[253] Seehandlung (Seehandlungsgesellschaft, früher eigentlich »Generaldirektion der Seehandlungssozietät«, jetzt »Königliche Seehandlung [Preußische Staatsbank]«), das Geld- und Bankinstitut des preußischen Staates, durch ein Privilegium vom 14. Okt. 1772 zur Belebung des Außenhandels als Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 1,200,000 Tlr. in Aktien zu 500 Tlr. gegründet. Die Gesellschaft erhielt das ausschließliche Recht des Ankaufs von spanischem, englischem und französischem Salz, der Einfuhr desselben auf eignen Schiffen und des Verkaufs nach Polen und Litauen, des Ankaufs des aus Polen kommenden Wachses und der Ausfuhr desselben nach Spanien; ferner Zollfreiheit für das polnische Schiffbauholz, Begünstigungen für die Leinenausfuhr und geeignete Plätze in Stettin und andern Häfen zur Anlegung von Schiffswerften und Magazinen. 1775 wurde die ebenfalls 1772 gegründete privilegierte Seesalzhandlungsgesellschaft mit der S. verschmolzen. 1794 wurden die Geschäftsbefugnisse der S. bedeutend erweitert, das Wachsmonopol aber aufgehoben. Die Aktionäre erhielten ursprünglich eine Garantie auf 10 Proz. Gewinn, hatten aber kein Anrecht auf die Verwaltung, die vielmehr ausschließlich in den Händen einer vom Ministerium abhängigen Direktion stand. Die S. erhielt 1791 eine eigne Generaldirektion. 1794 wurde die Zinsgarantie für das um 300,000 Tlr. erhöhte Aktienkapital auf 5 Proz. herabgesetzt. Der Geschäftsertrag der S. war übrigens in dieser Zeit sehr gering. In schwere Verlegenheiten geriet sie 1806, als ihr der Staat die von ihm entliehenen 17,8 Mill. Tlr. nicht zurückzahlen und sie infolgedessen ihre Gläubiger nicht befriedigen konnte. 1810 wurden sowohl die Aktien als die Obligationen der S. in Staatsschuldscheine und[253] damit die Gesellschaft in eine reine Staatsanstalt als besondere Abteilung des Finanzministeriums verwandelt. Sie betrieb den Salzhandel nur noch auftragsweise und besorgte gegen Kostenersatz und 1/3 Proz. Provision alle Geld- und Wechselgeschäfte für den Staat. Durch Kabinettsorder vom 17. Jan. 1820 wurde die S. als ein unabhängiges Geld- und Handelsinstitut des Staates mit unumschränkter Vollmacht und persönlicher Verantwortlichkeit des Chefs der Generaldirektion und mit Haftpflicht des Staates für ihre Verbindlichkeiten erklärt. Sie vermittelte Anleihen, baute Straßen, konvertierte staatliche und provinzielle Anleihen, beteiligte sich an industriellen Unternehmungen etc. Die letztern mußte sie freilich infolge der heftigen Angriffe der Großindustriellen allmählich bis auf einige wenige (Bromberger Mühlen und die Flachsgarnmaschinenspinnerei zu Landshut in Schlesien) wieder aufgeben, so daß sie sich heute fast ausschließlich auf das Geld-, Wechsel- und Effektengeschäft, also das Bankgeschäft, beschränkt. Seit 1848, in welchem Jahre sie wieder dem Finanzministerium unterstellt wurde, erhob man gegen ihren Fortbestand auch konstitutionelle Bedenken, und ihre Aufhebung im Abgeordnetenhaus wurde mehrfach in Anregung gebracht; für ihr Fortbestehen wurde seitens der Regierung wesentlich der Grund geltend gemacht, daß sie den Staatsbeamten Gelegenheit gebe, sich mit dem Bankgeschäft genau vertraut zu machen. Auch fällt der Umstand schwer ins Gewicht, daß sie dem Staate jährlich über 2 Mill. Mk. Einnahme zuführt. Der gesamte Buchumsatz der S. belief sich in den letzten Jahren auf ca. 5 Milliarden, der Reingewinn auf etwas über 21/2 Mill. Mk. oder 71/2 Proz. Das Grundkapital der S., ursprünglich 34,4 Mill. Mk., ist 1904 auf 99,4 Mill. Mk. erhöht worden. Derzeitiger Präsident der S. ist der Geheime Oberfinanzrat Havenstein. Vgl. Lexis, Artikel S. im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, 2. Aufl., Bd. 6 (Jena 1901); Schubart, Die S. (in der »Brandenburgia« von 1895).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 253-254.
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