Schubart

[50] Schubart, 1) Johann Christian, Edler von Kleefeld, Landwirt, geb. 24. Febr. 1734 in Zeitz, gest. 23. April 1787, war zuerst Leinweber, dann Sekretär des General Werner im Siebenjährigen Krieg, um 1760 Kriegs- und Marschkommissar bei der englischen Hilfsarmee und bereiste seit 1762 für die Zwecke des Freimaurerbundes mehrere europäische Länder. 1769 kaufte er das Rittergut Würch witz bei Zeitz und 1774 noch die beiden Güter Pobles und Kreischa und führte hier das neue Feldsystem, das er in Darmstadt kennen gelernt hatte, ein. Er brachte Kopfklee, Runkeln und Kartoffeln auf das Brachfeld, ließ Raps dem Weizen vorangehen, kultivierte Luzerne und Esparsette und machte viele Versuche mit Klee. Gleichzeitig kämpfte er für die Beseitigung der Tristservituten, deren vor kurzem erfolgte Aufhebung in den Rheinlanden die segensreichsten Folgen gehabt hatte. Seinen literarischen Ruf begründete er durch eine Preisschrift über den Futterkräuterbau, für die er 1784 den Adel erhielt. Sein Wirtschaftsbetrieb fand trotz der Anfeindung der Rittergutsbesitzer in Sachsen, Thüringen, Österreich schnell Ausnahme. Von ihm erschienen: »Ökonomisch-kameralistische Schriften« (Leipz. 1783–84, 6 Bde.) und »Ökonomischer Briefwechsel« (das. 1786, 4 Hefte). Vgl. »Joh. Christ. S., Edler v. Kleefeld« (Dresd. 1846).

2) Christian Friedrich Daniel, deutscher Dichter, geb. 26. März 1739 in Obersontheim als Sohn eines Lehrers, gest. 10. Okt. 1791 in Stuttgart, besuchte das Gymnasium in Nördlingen und die Schule zum Heiligen Geist in Nürnberg, betätigte schon damals sein poetisches und musikalisches Talent, führte aber ein regelloses Leben, das in Erlangen, wo S. von 1758 an studierte, seine gesteigerte Fortsetzung fand. Sein Treiben stürzte ihn in Krankheit und Schulden, so daß ihn 1760 die Eltern heimriefen. Nach einem kurzen Aufenthalt als Hauslehrer in Königsbronn kehrte er 1762 ins Elternhaus (der Vater lebte seit 1740 in Aalen) zurück, von wo aus er in der Nachbarschaft den Pfarrern als Prediger aushalf, bis ihm 1763 im Spätherbst das Amt eines Präzeptors und Organisten in Geislingen zuteil ward. Hier verheiratete er sich im Januar 1764 mit der Tochter des Oberzollers Bühler, litt bald unter der Armseligkeit seiner häuslichen und amtlichen Verhältnisse, über die er sich durch literarische und musikalische Tätigkeit und öfters durch wilde Gelage und Zerstreuungen hinwegzuhelfen suchte. Eine Ode auf den Tod des Kaisers Franz I. trug S. das kaiserliche Dichterdiplom ein In Geislingen entstanden die »Todesgesänge« (Ulm 1767) und die »Zaubereien« (das. 1766), jene unter Klopstocks, diese unter Wielands Einfluß. 1769 wurde S. als Organist und Musikdirektor nach Ludwigsburg berufen. Sein Witz, seine poetischen und musikalischen Gaben führten ihn hier in vornehme Kreise ein; seine unbändige und regellose Art aber störte den Frieden seines Hauses, auch schadete er sich vielfach durch unbesonnene satirische Äußerungen. Ein stadtkundiges Liebesverhältnis mit einer Landsmännin aus Aalen vertrieb Schubarts Frau aus dessen Haus und brachte ihn selbst auf kurze Zeit in Hast, und als das mannigfache Ärgernis, das sein Wandel erregte, fortdauerte, erfolgte durch den Herzog 1773 Schubarts Dienstentsetzung und Landesverweisung. Nachdem er sich eine Zeitlang an verschiedenen Orten Süddeutschlands aufgehalten und dann in Mannheim die kaum gewonnene Gunst des Kurfürsten von der Pfalz durch unvorsichtigen Spott über die Mannheimer Akademie verscherzt hatte, wandte er sich nach München, wo er eine Zeitlang den Plan hegte, durch den Übertritt zum Katholizismus sein Glück zu machen. Der Plan zerschlug sich, und S. gedachte nun in Stockholm sein Heil zu versuchen; er kam jedoch nur bis Augsburg. Dorl begann er 1774 eine Zeitschrift: »Deutsche [50] Chronik«, zu veröffentlichen, die um ihrer patriotischen Haltung und lebendigen Darstellung willen großen Anklang fand. S. steht hier auf dem Standpunkt der Stürmer und Dränger. Als nach kurzer Zeit der Augsburger Magistrat den Druck des Journals verbot, setzte es S., der aus Augsburg ausgewiesen worden war, seit 1775 in Ulm fort. Aber bald traf ihn ein unerhörtes Geschick. Der Herzog Karl Eugen von Württemberg, den er auch durch spöttische Äußerungen gereizt hatte, ließ ihn im Januar 1777 auf württembergisches Gebiet locken, verhaften und auf den Hohenasperg bringen, um seiner »freventlichen Antastung fast aller gekrönter Häupter auf dem Erdboden« ein Ende zu machen. Hier mußte S. zehn Jahre lang schmachten, anfangs in strengster Hast, aller Bücher und Schreibmaterialien beraubt, später zu unwürdigen Geschäften herangezogen; erst 1785 durfte er Frau und Kinder wiedersehen und erst im Mai 1787 wurde infolge preußischer Verwendung der körperlich zerrüttete Mann wieder in Freiheit gesetzt und dann, um die Sinnlosigkeit despotischer Willkür voll zu machen, zum Hofdichter und Theaterdirektor in Stuttgart ernannt. Die »Deutsche Chronik«, die inzwischen sein treuer Freund Joh. Martin Miller, der Dichter des »Siegwart«, in Ulm zum Besten der Familie weitergeführt hatte, nahm er unter dem Titel »Vaterlandschronik« wieder auf. Schubarts Dichtungen und sonstige schriftstellerische Werke sind das getreue Spiegelbild seiner Persönlichkeit. Freilich zeigen nur wenige eine reine künstlerische Vollendung, aber die volkstümlichen Naturlaute in vielen seiner klangvollen Lieder verraten den echten Lyriker; besondere Hervorhebung verdienen: »Die Fürstengruft« und der Hymnus »Friedrich d. Gr.« sowie einige den Volkston meisterhaft treffende, wie das »Kaplied«. Schubarts journalistische Begabung war sehr bedeutend. Über seine äußern und innern Erlebnisse hat er uns in »Schubarts Leben und Gesinnungen« (Stuttg. 1791–93, 2 Bde.; Neudruck in »Meyers Volksbüchern«) eigne, im Kerker abgefaßte Aufzeichnungen hinterlassen, die jedoch die beklemmende Luft des Gefängnisses, in der S. in selbstquälerische, pietistische Stimmung versunken war, allzusehr verraten, als daß ihnen historische Zuverlässigkeit beizumessen wäre. Schubarts »Sämtliche Gedichte« erschienen während seiner Gefangenschaft in Stuttgart 1785–86, 2 Bde. (beste Ausg. von G. Hauff in Reclams Universal-Bibliothek; Auswahl von Sauer in Kürschners »Deutscher National-Literatur«, Bd. 81); seine »Gesammelten Schriften« Stuttg. 1839–40, 8 Bde. Vgl. Strauß, Schubarts Leben in seinen Briefen (Berl. 1849, 2 Bde.); G. Hauff, Chr. Fr. Daniel S. in seinem Leben und seinen Werken (Stuttg. 1885); Nägele, Aus Schubarts Leben und Wirken (das. 1888); E. Holzer, Schubart-Studien (Ulm 1902) und S. als Musiker (Stuttg. 1905); R. Krauß, S. als Stuttgarter Theaterdirektor (in den »Württembergischen Vierteljahrsheften für Landesgeschichte«, neue Folge, Bd. 10, Stuttg. 1901). Die treubewährte Gattin des Dichters überlebte ihn 28 Jahre und starb 1819 in einer Armenanstalt zu Stuttgart. In Aalen wurde ihm 1891 ein Denkmal (Bronzebüste von Kurfeß) errichtet. – Sein Sohn Ludwig, geb. 1766 in Geislingen, lebte als preußischer Legationsrat in Nürnberg und starb 1812 in Stuttgart. Er übersetzte mehreres aus dem Englischen (z. B. Thomsons »Jahreszeiten«) und gab seines Vaters »Ideen zur Ästhetik der Tonkunst« (Wien 1806) und »Vermischte Schriften« (Zürich 1812, 2 Bde.) heraus.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 50-51.
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