Sievers

[454] Sievers, 1) Jakob Johann, Graf, russ. Staatsmann, geb. 30. Aug. 1731 zu Wesenberg in Esthland, gest. 23. Juli 1808 zu Bauenhof in Livland, ward 1764 von Katharina II. zum Gouverneur von Nowgorod ernannt, führte den Kartoffelbau ein, regelte das Postwesen und betrieb die Abschaffung der Tortur (1767). Auf seinen Vorschlag wurde die Statthalterschaftsverfassung eingeführt und er selbst zum Generalgouverneur von Nowgorod, Twer und Pskow ernannt. 1781 ward er Gesandter in Polen und leitete die zweite und dritte Teilung dieses Königreichs. Kaiser Paul ernannte ihn 1796 zum Senator, 1797 zum Chef des neuen Departements der Wasserkommunikation und erhob ihn 1798 in den erblichen Grafenstand. 1800 schied er aus dem Staatsdienst. Ihm zu Ehren benannte Alexander I. den Sieverskanal (s. d.). Vgl. Blum, Des Grafen J. J. S. Denkwürdigkeiten zur Geschichte Rußlands (Leipz. 1857–58, 4 Bde.) und Graf S. und Rußland zu dessen Zeit (das. 1864).

2) Eduard, Germanist, geb. 25. Nov. 1850 in Lippoldsberg bei Hofgeismar, studierte in Leipzig und Berlin, wurde 1871 außerordentlicher, 1876 ordentlicher Professor an der Universität Jena, 1883 in Tübingen, 1887 in Halle, 1892 in Leipzig. Er ist hauptsächlich auf dem Gebiete der Grammatik und Metrik und als Herausgeber altdeutscher Texte tätig. Von ihm erschienen: »Tatian, lateinisch und altdeutsch herausgegeben« (Paderb. 1872, 2. Aufl. 1892); »Die Murbacher Hymnen, nach den Handschriften herausgegeben« (Halle 1874); »Paradigmen zur deutschen Grammatik« (das. 1874); »Der Heliand und die angelsächsische Genesis« (das. 1875); »Grundzüge der Phonetik« (Leipz. 1874, 5. Aufl. 1901); »Zur Akzent- und Lautlehre der germanischen Sprachen« (Halle 1878); eine Ausgabe des »Heliand« (das. 1878); »Beiträge zur Skaldenmetrik« (1878 u. 1879); »Proben einer metrischen Herstellung der Eddalieder« (Halle 1885); »Angelsächsische Grammatik« (das. 1882, 3. Aufl. 1898); »Tübinger Bruchstücke des ältern Frostuthingslög« (das. 1886); »Oxforder Benediktinerregel« (das. 1887); »Zur Rhythmik des germanischen Alliterationsverses« (1887); »Altgermanische Metrik« (Halle 1892); »Metrische Studien I. Studien zur hebräischen Metrik« (Leipz. 1901 bis 1907, Bd. 1–3); »Über Sprachmelodisches in der deutschen Dichtung« (das. 1901). Mit E. Steinmeyer veröffentlichte er: »Die althochdeutschen Glossen« (Berl. 1879–98, 4 Bde.); von 1892–1906 gab er die von Paul und Braune begründeten »Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur« (Bd. 16–31) heraus.

3) Wilhelm, Geograph, geb. 3. Dez. 1860 in Hamburg, studierte in Jena, Göttingen und Leipzig, bereiste nach beendetem Universitätsstudium 1884–1885 und 1892–93 Venezuela, 1886 Kolumbien, habilitierte sich 1887 in Würzburg, ging 1890 nach [454] Gießen und wurde 1891 hier Professor. Er schrieb: »Über die Abhängigkeit der jetzigen Konfessionsverteilung in Südwestdeutschland von den frühern Territorialgrenzen« (Götting. 1884); »Reise in der Sierra Nevada de Santa Marta« (Leipz. 1887); »Die Kordillere von Merida« (Wien 1888); »Venezuela« (Hamb. 1888); »Zweite Reise in Venezuela 1892–93« (Bd. 12 der Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Hamburg, 1896, mit Karte); »Venezuela und die deutschen Interessen« (Halle 1903); »Südamerika und die deutschen Interessen« (Stuttg. 1903). Im Verlage des Bibliographischen Instituts in Leipzig gab er 1891–1895 eine Allgemeine Länderkunde in 6 Bänden heraus: »Afrika« (2. Aufl. von F. Hahn, 1901), »Asien« (von S., 2. Aufl. 1904), »Süd- und Mittelamerika« (von S., 2. Aufl. 1903), »Nordamerika« (von E. Deckert, 2. Aufl. 1904), »Europa« (2. Aufl. von Philippson, 1906) und »Australien, Ozeanien und Polarländer« (2. Aufl. von S. und Kükenthal, 1902). Von dieser »Allgemeinen Länderkunde« bearbeitete S. auch eine kleine Ausgabe in 2 Bänden (Leipz. 1907).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 454-455.
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