Steinbock [1]

[895] Steinbock (Ibex Wagn.), Gruppe aus der Gattung Ziege (Capra L.), charakterisiert durch die vorn abgeplatteten Hörner mit knotigen Querwülsten, umfaßt mehrere den höchsten Gebirgen der Alten Welt, den europäischen Alpen, den Pyrenäen (Bergbock, C. hispanica Schimp.) und andern spanischen Gebirgen, dem Kaukasus (C. caucasica Güld.), den Hochgebirgen Asiens, dem St einigen Arabien, Abessinien und dem Himalaja angehörige Tiere. Auf Kreta und andern Inseln des Mittelmeeres, in den Gebirgen Kleinasiens und Persiens lebt der bärtige Capra Beden Forsk. Der Alpensteinbock (C. Ibex L, s. Tafel »Ziegen«, Fig. 1), 1,5–1,6 m lang, 80–85 cm hoch und 80–110 kg schwer, der Bock mit sehr starkem, bis 1 m langem, schief nach rückwärts gebogenem Gehörn, das beim Weibchen bedeutend kleiner und mehr hausziegenartig ist. Der Körper ist gedrungen und stark, der Hals von mittlerer Länge, der Kopf verhältnismäßig klein, an der Stirn stark gewölbt; die Beine sind kräftig und von mittlerer Höhe. Die [895] Behaarung ist rauh und dicht, am Hinterkopf, Nacken und Unterkiefer verlängert, im Sommer rötlichgrau, im Winter fahl gelblichgrau. Längs der Mitte des Rückens verläuft ein hellbrauner Streifen; Stirn, Scheitel, Nase, Rücken und Kehle sind dunkelbraun; die Mitte des Unterleibes ist weiß. Der S. bewohnt die höchsten Regionen der Alpen, lebt in Rudeln und steigt nur in die Waldregion herab, wenn die Alpenkräuter, seine Nahrung, vom Schnee bedeckt sind. Seine Bewegungen sind rasch und leicht; er klettert sehr gewandt und weiß an den steilsten Felsenwänden Fuß zu fassen, auch verfehlt er im Springen nie sein Ziel. Die Brunstzeit fällt in den Januar, und fünf Monate nach der Paarung wirft das Weibchen ein oder zwei Junge, die es in der Gefahr tapfer verteidigt. Jung eingefangene Steinböcke werden leicht zahm, doch bricht die Wildheit im Alter wieder hervor. Während der S. in der Mammut- und Renntierzeit durch die ganze Schweiz, einen Teil Südfrankreichs und (wahrscheinlich) bis Belgien verbreitet war, noch von Plinius als Hochgebirgsstier erwähnt wurde, auch im frühen Mittelalter bei den St. Galler Mönchen als Wildbret beliebt war und von Albertus Magnus zur Hohenstaufenzeit als häufig in den Deutschen Alpen bezeichnet wurde, ist sein Bestand in den letzten Jahrhunderten schnell zusammengeschmolzen; 1583 wurde der letzte am Gotthard erlegt; 1574 war er in Graubünden kaum noch aufzutreiben; 1706 verschwand er aus dem Zillertal, wo er über ein Jahrhundert von den Erzbischöfen von Salzburg beschützt worden war. und schon im 18. Jahrh. beschränkte sich sein natürliches Vorkommen auf die Hochgebirge des südlichen Wallis, Savoyens und Piemonts. 1858 erwarb der König Viktor Emanuel in den Tälern, die vom Aostatal in südwestlicher Richtung streichen, das Jagdrecht und schuf dort ein Schutzgebiet für den S., in dem er sich vortrefflich gehalten hat. Man schätzt die Zahl der dort lebenden Tiere auf 400–500 Stück. Mehrfache Versuche, ihn an einzelnen Stellen der Schweiz und den Österreichischen Alpen wieder einzubürgern, hatten keinen dauernden Erfolg. Nur im Tennengebirge (Salzburg) scheinen sich 1876 aus Savoyen bezogene Steinböcke eingebürgert und fortgepflanzt zu haben. Viktor Emanuel legte im Aostatal auch ein Gehege für Steinbockzucht an und erzielte durch eine ausgewählte Ziegenart, die in das Gebirge zu den wilden Steinböcken getrieben wurde und von dort trächtig zurückkehrte, eine Kolonie von Steinbockbastarden, die den echten Steinböcken ungemein ähnlich sind. Sie haben 1 m lange Hörner und sind zur Fortpflanzung durchaus geeignet. Das Fleisch des Steinbockes ist schmackhaft. Vgl. Girtanner, Der Alpensteinbock (Trier 1878).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 895-896.
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