Symbolische Bücher

[236] Symbolische Bücher, Schriften, durch die eine Kirche den Glauben, an dem ihre Mitglieder sich teils untereinander erkennen, teils von andern religiösen Genossenschaften unterscheiden, urkundlich bezeugt. Schon die alte katholische Kirche legte ihren Taufbekenntnissen den aus der Mysteriensprache entlehnten Namen Symbol (s. d.) bei, da ja auch die Taufe als ein Mysterium galt. Dreien von ihnen, dem sogen. Apostolischen Glaubensbekenntnis (s. d.), dem Nicänisch-konstantinopolitanischen (s. d.) und dem Athanasianischen (s. d.), verschafften als sogen. allgemeinen oder ökumenischen Symbolen die weltliche Macht der Kaiser und das Ansehen der Konzile absolute Geltung in der Kirche. Die Reformatoren des 16. Jahrh. haben diese Grundlagen der christlich-katholischen Weltanschauung nicht angetastet; doch machte sich bald das Bedürfnis geltend, die Unterscheidungslehren von der römischen Kirche in besondern Bekenntnissen klar und bestimmt zum Ausdruck zu bringen. Das geschah erstmalig in der Augsburgischen Konfession (s. d.). In den auf Luthers Tod folgenden theologischen Streitigkeiten wurde das Unterschreiben der Bekenntnisse für die Geistlichen obligatorisch, namentlich seit 1580 beim Erscheinen des Konkordienbuches von Fürsten und Ständen bestimmt ausgesprochen worden war, daß bei der darin enthaltenen Lehre allenthalben beharrt werden sollte. Gleichwohl tauchte schon im 17. Jahrh. der Gedanke auf, daß die Verpflichtung auf s. B. eine unevangelische Beschränkung der Glaubens- und Gewissensfreiheit sei; der Rationalismus des 18. Jahrh. behalf sich mit der Formel, daß man die Geistlichen auf sie verpflichten solle, nicht »weil« (quia), sondern »inwiefern« (quatenus) sie mit der Heiligen Schrift übereinstimmten. Im 19. Jahrh. gewann der Grundsatz, daß sich die Geistlichen streng an die Lehrformen der symbolischen Bücher zu halten hätten (Symbolzwang), besonders in Norddeutschland neue Geltung. Gegen den Symbolzwang wird geltend gemacht, daß er den Protestantismus im Prinzip bedrohe und durch Aufhebung der Lehrfreiheit (s. d.) den Fortschritt in der Wissenschaft beeinträchtige, daher den protestantischen Geistlichen nur eine pietätvolle, von pädagogischem Takt geleitete Berücksichtigung der symbolischen Bücher und ihres Lehrgehalts zur Pflicht zu machen sei. Sammlungen der symbolischen Bücher der einzelnen Konfessionen bei Schaff, The Creeds of Christendom (6. Aufl., New York u. Lond. 1890, 3 Bde.); J. T. Müller, Die symbolischen Bücher der evangelisch-lutherischen Kirche (10. Aufl., Gütersl. 1907); E. F. K. Müller, Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirche (Leipzig 1903); Denzinger, Enchiridion symbolorum [236] et definitionum etc. (9. Aufl., hrsg. von Stahl, Würzb. 1900); Michalcescu, Die Bekenntnisse und die wichtigsten Glaubenszeugnisse der griechisch-orientalischen Kirche (Leipz. 1904). Die altkirchlichen Symbole s. bei Hahn, Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln der alten Kirche (3. Aufl., Bresl. 1897). Zur grundsätzlichen Beurteilung vgl. Schleiermacher, Über den eigentlichen Wert und das bindende Ansehen symbolischer Bücher (Frankf. 1819); Scheurl, Die Rechtsgeltung der Symbole (in seiner »Sammlung kirchenrechtlicher Abhandlungen«, 1. Abt., Erlang. 1872); Ra de, Reine Lehre (Tüb. 1900); Mulert, Die Lehrverpflichtung in der evangelischen Kirche Deutschlands (das. 1904); Löber, Die im evangelischen Deutschland geltenden Ordinationsverpflichtungen (Leipz. 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 236-237.
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