Vicenza [2]

[134] Vicenza (spr. witschénza), Hauptstadt der gleichnamigen ital. Provinz (s. oben), liegt 39 m ü. M. in anmutiger, wohlangebauter Ebene am Nordfuß der Bericischen Berge, zu beiden Seiten des Bacchiglione, der hier den Retrone aufnimmt und schiffbar wird, an den Eisenbahnen Mailand-Venedig, V.-Schio und V.-Treviso, mit Dampfstraßenbahn nach Valdagno (Recoaro) und Arzignano, hat enge Straßen, aber einige ansehnliche Plätze, darunter die Piazza dei Signori mit dem Marmorstandbild Palladios (von Gajassi, 1859) und zwei Säulen, den Domplatz mit dem Denkmal Viktor Emanuels (von Benvenuti, 1880) und die Piazza Castello mit dem Denkmal Garibaldis (von Ferrari, 1887). Die die Stadt quer durchschneidende Hauptstraße heißt Corso Principe Umberto. Bemerkenswerte Kirchen sind: der Dom, ein einschiffiger gotischer Bau, 1247 geweiht, vielfach verändert, mit hoher Kuppel, die Kirche San Lorenzo, ein schöner gotischer, dreischiffiger Backsteinbau (1280–1344), Santa Corona, eine malerische,[134] gotische Dominikanerkirche (1260–1300), und Santo Stefan o. Sie enthalten Gemälde von Giov. Bellini, Montagna, die letztgenannte ein schönes Altarbild von Palma Vecchio. Hervorragende Bauwerke wurden von dem in V. gebornen Palladio oder nach seinen Entwürfen ausgeführt: so die sogen. Basilika Palladiana (Palazzo della Ragione, ein ursprünglich gotischer Bau, 1549–1614 umgebaut und mit zweigeschossiger, offener Bogenhalle versehen), der Palazzo prefettizio (1571), das Teatro Olimpico, eine Renaissancenachahmung eines antiken Theaters (1584 vollendet), der Palazzo Chiericati, mit den städtischen Sammlungen, der schönste Palastbau des Meisters, mit offenen Hallen an der Fassade, 1855 restauriert, der Palazzo Thiene, mit prächtiger Fassade (1556), der Palazzo Valmarana (1566), der Palazzo Porto-Barbaran (1570), mit reichem Skulpturenschmuck, der unvollendete Palazzo Giulio Porto, das sogen. Haus des Palladio und eine halbe Stunde außerhalb der Stadt die Rotonda (jetzt Villa Zanini), ein Viereck mit Säulenvorhallen und einem Kuppelsaal (von Goethe bewundert und beschrieben). Erwähnenswert sind auch der bischöfliche Palast und das Tribunal mit Fassade von Scamozzi. Außerhalb der Stadt liegt die Wallfahrtskirche Madonna del Monte Berico, zu der ein 650 m langer, bedeckter Bogengang führt (1428 in gotischem Stil errichtet, 1668 zu einer Kuppelkirche erweitert), dabei ein Denkmal der hier 1848 Gefallenen und die Statue der befreiten Italia, dann der Friedhof mit dem Denkmal des Palladio. Die Zahl der Einwohner beträgt (1901) 25,027, mit dem Gemeindegebiet 44,777. Erwerbszweige sind: Fabrikation von Maschinen, Musikinstrumenten, Tonwaren, Möbeln, Teigwaren, Bier, Seide und Seidengarn, ferner Handel mit Manufakturwaren und Bodenprodukten, insbes. mit Gartenfrüchten, Wein und Getreide sowie mit Schlachtvieh. V. hat ein königliches und ein bischöfliches Lyzeum und Gymnasium, ein Seminar, eine Technische und eine Gewerbeschule, eine 1550 gestiftete Akademie der Wissenschaften und Künste (Accademia Olimpica), eine städtische Bibliothek (160,000 Bände und 6000 Manuskripte), ein städtisches Museum mit Sammlung von römischen Altertümern, Gemälden, Kupferstichen, Zeichnungen und naturhistorischen Gegenständen, 2 Theater, ein Taubstummeninstitut etc. Es ist Sitz des Präfekten, eines Bischofs, eines Tribunals und einer Handelskammer. Von V. erhielt der französische Staatsmann Caulaincourt (s. d.) den Herzogstitel. – Die Stadt, die im Altertum Vicentia hieß, ist seit dem 2. Jahrh. v. Chr. nachweisbar. Sie war in langobardischer Zeit Hauptort eines Herzogtums, in fränkischer Zeit einer Grafschaft und genoß seit dem 12. Jahrh. munizipale Freiheit. Die 1204 durch Auswanderung der Studenten und Lehrer von Bologna hier entstandene Universität löste sich bald wieder auf. Seit 1311 herrschten die della Scala, seit 1387 die Visconti über V. bis 1404, wo sich V. der Republik Venedig unterwarf. 1509 eroberte es Kaiser Maximilian I., gab es aber 1516 der Republik Venedig zurück, deren Schicksale es seitdem teilte. Im Mai 1848 erhob sich die Stadt gegen die Österreicher, die sie 10. Juni wieder besetzten. Durch den Wiener Frieden kam V. 1866 mit Venetien an das Königreich Italien. Vgl. Castellini, Storia della città di V. (Vicenza 1783–1822, 14 Bde.); O. Schmidt, V. (25 Architekturtafeln, mit Text von Fabiani, Wien 1898); Pettina, V. (in der Sammlung »Italia artistica«, Bergamo 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 134-135.
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