Ferrāri

[451] Ferrāri, 1) Gaudenzio, ital. Maler, geb. um 1481 in Valdeggia im Sesiatal (Piemont), gest. 31. Jan. 1546 in Mailand, bildete sich nach Stefano Scotto, B. Luini und Leonardo da Vinci, war in Varallo, Vercelli, Novara (1514–18), Saronno und seit 1536 in Mailand tätig. Während seine frühern Werke noch an die ältere Schule erinnern, zeigt sich in seinen spätern das Studium Leonardos; dabei macht sich immer ein energischer Naturalismus geltend. Seine Farbe ist sehr kräftig, obwohl häufig bunt, seine Komposition meist überladen oder doch unharmonisch. Unter seinen Werken sind zu nennen: ein Tafelbild der Kreuztragung auf dem Hochaltar der Kirche Madonna della Pieta zu Canobbio am Lago Maggiore, ein prächtiges Tafelwerk in San Gaudenzio zu Novara (1514–15), ein andres in Busto Arsizio bei Mailand. Im Refektorium von San Paolo in Vercelli malte er ein Abendmahl, das den Einfluß von Leonardos bekannter Darstellung zeigt. In der Kirche zu Saronno schmückte er die Kuppel mit einer Engelsglorie. Zahlreiche bedeutende Werke von ihm befinden sich zu Varallo in Piemont. Die frühesten[451] in den Kirchen Santa Maria in Loreto und San Marco verraten noch die alte lombardische Schule. Bedeutender sind die Fresken in der Franziskanerkirche Santa Maria delle Grazie daselbst (die Passion, die Darstellung im Tempel, Christus unter den Schriftgelehrten u. a.). Gemälde von F. befinden sich auch in den 40 Kapellen des Sacromonte in Varallo. Außerhalb Italiens kommen sehr selten Werke von F. vor; in Paris befindet sich ein heil. Paulus, in Berlin eine Verkündigung Mariä. Vgl. Colombo, Vita ed opere di Gaudenzio F. (Turin 1881); Halsey, Gaudenzio F. (Lond. 1904).

2) Lodovico, Mathematiker, geb. 2. Febr. 1522 in Bologna, gest. daselbst 1565, war Professor der Mathematik in Mailand und Bologna, fand auf Anregung seines Lehrers Cardano die Auflösung der Gleichungen vierten Grades und führte große geodätische Vermessungen in Oberitalien aus. Vgl. Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik, Bd. 2 (2. Aufl., Leipz. 1900); Zeuthen, Geschichte der Mathematik im 16. u. 17. Jahrh. (deutsch, das. 1903).

3) Benedetto, Dichter und Komponist, geb. 1597 in Reggio, gest. 22. Okt. 1681 in Modena, erhielt seine musikalische Ausbildung zu Rom, wo er wohl auch seine erste Anstellung fand. Nachdem er sodann mindestens seit 1633 in Venedig gewirkt hatte, erhielt er 1645 eine Anstellung in der Hofkapelle zu Modena, vertauschte diese aber 1651 mit einer bessern als Theorbist der Hofkapelle in Wien und brachte auch dort sowie in Regensburg Opern heraus. 1653 wurde er als Hofkapellmeister nach Modena zurückberufen, erhielt 1662 beim Regierungswechsel seinen Abschied, wurde aber erst 1674, als Franz II. die Regierung übernahm, wieder als Kapellmeister eingesetzt. Die von F. gedichtete Oper »Andromeda«, komponiert von Manelli, gegeben im Theater San Cassiano zu Venedig 1637, war die erste in einem öffentlichen Theater ausgeführte Oper (die Kosten der Ausführung trug F.); alle frühern Opernaufführungen waren privater Natur. Die erste von F. komponierte (und gedichtete) Oper war »Armida« (1639). Von der Musik von Ferraris Opern ist bis jetzt nichts aufgefunden; sechs Operntexte erschienen unter dem Titel »Poesie drammatiche« (Rom 1644 u. 1651). Die Instrumentaleinleitung eines Balletts: »Dafne« und ein Oratorium »Samson« sind handschriftlich zu Modena erhalten. Im Druck erschienen drei Bücher »Musiche varie« für eine Singstimme mit General baß (Bened. 1636, 1637, 1641).

4) Luigi, ital. Bildhauer, Sohn des Bildhauers Bartolommeo F. (1780–1844), geb. 1810 in Venedig, gest. daselbst 12. Mai 1894, bildete sich nach den Werken Canovas. 1840 schuf er die Figur mit der Urne an dem Grabmal Canovas (in Santa Maria dei Frari zu Venedig) und führte in den folgen den Jahren eine Reihe von Arbeiten verschiedenen Inhalts aus, die seinen Ruf begründeten und 1851 seine Ernennung zum Professor an der Akademie in Venedig veranlaßten. Dahin gehören eine im Motiv von der bekannten antiken sehr abweichende Gruppe des Laokoon, ein Endymion, eine Marmorgestalt der Melancholie, eine Statue des Marco Polo, ein Dauid als Besieger Goliaths (Palazzo Emo in Venedig), ein am Grabe seines Vaters betendes Mädchen, die Vögel fütternde Unschuld u. a.

5) Giuseppe, Geschichtsphilosoph, geb. 1812 in Mailand, gest. 1. Juli 1876 in Rom, studierte in Pavia, lebte dann unabhängig seinen Studien und begann seine Schriftstellerlaufbahn mit einer Abhandlung über seinen Lehrer, den Philosophen Romagnosi (s.d.), der eine Ausgabe der sämtlichen Werke Vicos (1835) und einige Schriften in französischer Sprache: »Vico et l'Italie« (Par. 1839), »De l'erreur« (das. 1840) und »De religiosis Campanellae opinionibus« (das. 1840), nachfolgten. Nachdem er seit 1840 kurze Zeit als Professor der Literatur in Rochefort gewirkt, seiner freisinnigen Richtung wegen aber hatte zurücktreten müssen, ward ihm 1842 auf Cousins Verwendung der philosophische Lehrstuhl an der Universität zu Straßburg übertragen; aber schon nach 18 Tagen ward er auch hier auf Betreiben der Ultramontanen abgesetzt. Seine Vorlesungen veröffentlichte er als »Idées. sur la politique de Platon et d'Aristote« (Par. 1842). Nach der Februarrevolution 1848 von Carnot wieder in sein Amt eingesetzt, wirkte er darauf in Bourges, wurde aber hier ebenfalls bald suspendiert und kehrte 1359 nach Italien zurück, wo er nacheinander Professor in Turin und Mailand wurde. Als Mitglied des piemontesischen Parlaments war er ein heftiger Gegner von Cavours Annexionspolitik. Außer den genannten Werken schrieb er unter anderm: »Filosofia della rivoluzione« (Capolago 1851; 2. Aufl., Mail. 1873, 2 Bde.); »Histoire de la raison d'État« (Capolago 1860); »Storia della rivoluzione d'Italia« (Mail. 1870–73, 3 Bde.). Eine Darlegung seiner Theorie der freien Völkerverbrüderung, an der er mit doktrinärem Starrsinn festhielt, gab er in: »La federazione repubblicana« (Capolago 1851). Die Lehre aus den »Antinomien« hielt er für »unüberwindlich« und wollte den Ausweg finden in die Unmittelbarkeit des realen Lebens. Eine Biographie von ihm verfaßte Mazzoleni (Mail. 1876).

6) Paolo, ital. Lustspieldichter, geb. 5. April 1822 in Modena, gest. 9. März 1889 in Mailand, studierte die Rechte, mit größerm Eifer aber Geschichte und Literatur und schrieb zu Massa, wohin sein Vater übergesiedelt war, 1847 seine erste Komödie: »Bartolommeo il calzolajo«, später »Il codicillo dello zio Venanzio« betitelt. 1852 schrieb er sein Meisterwerk: »Goldoni e le sue sedici commedie«, das 1854 beim Publikum und bei der Kritik einen großen Triumph errang. Kaum geringer war der Erfolg der Komödie »La satira e Parini« (1857). Es folgte eine Reihe nicht ganz so trefflicher Dramen und Lustspiele: »Prosa« (ursprünglich »Il tartuffo moderno«); »Dante a Verona«; »Poltrona storica«; »La medicina d'una ragazza ammalata« (1862); »Gli uomini serii« (1869); »L'attrice cameriera« (1871); »Nessun va al campo« (1871); »Cause ed effetti« (1872); »Il duello«; »Il suicidio« (1875); »Un ballo in provincia«; »Vecchie storie«; »Gli amici rivali«; »Le due donne«; »Il ridicolo« (1878); »Il perdono« (1879); »Per vendetta«; »Un giovane ufficiale«; »L'Antonietta« (1880) u. a. Pikante Stoffe, ernste Tendenzen, pointierter Dialog, geschickte Mache und z. T. auch grelle Effekte erinnern in Ferraris neuern Stücken an französische Muster, ohne jedoch ihre Originalität zu beeinträchtigen. 1860 wurde F. Professor der Geschichte in Modena, später an der Akademie zu Mailand. Seine »Opere drammatiche« erschienen zu Mailand (1877–80, 14 Bde.). Vgl. L. Fortis, Paolo F., riordi e note (Mail. 1889) und die von seinem Sohn Vittorio F. veröffentlichte Biographie: »Paolo F. La vita, il teatro« (das. 1899).

7) Eugenio, ital. Philolog, geb. 22. Febr. 1832 in Arezzo, studierte in Pisa, war 1858–59 Professor des Griechischen in Florenz, 1859–66 an der Universität Siena und seit 1866 an der zu Padua. Er[452] erwarb sich besonderes Verdienst um die Wiederbelebung der klassischen Studien in Italien, namentlich durch seine Übersetzung von Otfr. Müllers »Geschichte der griechischen Literatur« (Flor. 1858–59, 2 Bde.), übersetzte Platon (Padua 1873–82) und besorgte zahlreiche Klassikerausgaben. Auch gab er »I frammenti della Politica di Aristotele nel Papiro C. L. XIII del Museo egiziaco di Berlino« (Padua 1888) heraus.

8) Severino, ital. Dichter und Gelehrter, geb. 1856 in Alberino bei Bologna, studierte in Florenz und wurde Professor zu Faenza. Er veröffentlichte die lyrischen Sammlungen: »Sibi et suis« (1876), »Bordatini« (1885), »Secondo libro dei Bordatini« (1886), die Dichtung »Il Mago« (1884), »Nuovi versi« (1888) und »Primavera fiorentina« (1900), gab 2 Bände einer »Biblioteca di letteratura popolare« (1882–83) heraus und veröffentlichte viele literarhistorische Aufsätze und Textausgaben.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 451-453.
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