[314] Musikinstrumente (hierzu die Tafeln »Musikinstrumente I-III«), Mechanismen zur Hervorbringung musikalischer Töne, werden gewöhnlich eingeteilt in Saiteninstrumente, Blasinstrumente und Schlaginstrumente; doch ist in diesen drei Rubriken für viele Instrumente kein Platz (z. B. Glasharmonika), und andre könnten in zwei derselben eingestellt werden (z. B. Klavier unter Saiten- und unter Schlaginstrumente). Man unterscheidet auch nach der Art der Handhabung: Instrumente mit variabler Tonhöhe (eigentliche M.) und solche mit konstanter Tonhöhe (Schlag-, Klingel-, Klapperinstrumente). Die erstern scheidet man in M. mit Applikatur und mechanische Musikwerke (Drehorgeln, Orchestrions, Spieluhren, mechanische Klaviere). Bei den Instrumenten mit Applikatur sind das tongebende Medium Saiten (Saiteninstrumente) oder Stahlstäbe, Gabeln, abgestimmte Holz- oder Steinplatten, Glocken etc. (Adiaphon, Harmonika, Carillon, Strohfiedel) oder in Röhren schwingende Luftsäulen (Blasinstrumente). Die Saitenstrumente scheiden sich in solche, bei denen jede Saite stets nur denselben Ton gibt (Harfeninstrumente, Klaviere, Bogenflügel), und solche, bei denen die Saiten durch Verkürzung verschiedene Töne geben (Lauteninstrumente und Streichinstrumente). Die Blasinstrumente scheiden sich in zusammengesetzte, bei denen für jeden Ton ein besonderes Blasinstrument da ist, und die mittels einer Klaviatur gespielt werden (Orgel, Harmonium, Ziehharmonika), und einfache, bei denen durch verschiedenen Ansatz und Öffnen oder Schließen von Tonlöchern Töne verschiedener Höhe hervorgebracht werden (eigentliche Blasinstrumente). Je nach der Art der Tonerzeugung zerfallen diese wieder in Lippenpfeifen (Flöten) und Zungenpfeifen, letztere entweder mit doppeltem Rohrblatt (Schalmei, Oboe, Fagott etc.) oder einfachem Rohrblatt (Klarinetten), oder mit membranösen Zungen, nämlich den als Zungen fungierenden, im Mundstück schwingenden Lippenrändern des Bläsers (Hörner, Trompete, Posaune etc.). Vgl. die Einzelartikel. Über die Verbindung verschiedener M. zu einem Orchester s. Instrumentation. Über die mechanischen Musikwerke s. d. Die Namen berühmter Orgel-, Musik- und Streichinstrumentenbauer s. unter Orgel, Klavier, Geige. Die Industrie des Musikinstrumentenbaues beschäftigt Tausende von Arbeitern besonders in Deutschland, Frankreich, England und Amerika. Der Klavierbau hat beinahe in allen größern Städten Vertreter, doch sind Leipzig, Berlin, Paris, London. New York besonders hervorzuheben; für Orgelbau insbes. Paris, Brüssel, Ludwigsburg (Walcker), Frankfurt a. O.; der Bau von Streichinstrumenten wird besonders im sächsischen Vogtland (Markneukirchen) im großen betrieben. Vgl. Musikinstrumentenbauschulen.
Ein wachsendes Interesse für die historische Entwickelung der verschiedenen Arten und Klassen der M. gibt sich kund in der Zunahme solcher staatlichen oder privaten, aber allgemein zugänglichen Sammlungen (Instrumentenmuseen), deren Nutzbarmachung durch systematische Ordnung und Katalogisierung und detaillierte Beschreibungen vermittelt wird. Wenn wir auch für eingehendere Studien auf diese Museen und Kataloge verweisen müssen, so geben beifolgende Tafeln doch wenigstens eine mit Bedacht getroffene Auswahl von Abbildungen der Hauptarten von Musikinstrumenten älterer Zeiten und fremder Völker zur Vergleichung mit den wenigen für die Kunstmusik heute allgemein gebräuchlichen Formen, die wir als allgemein bekannt voraussetzen dürfen. Zur Orientierung über die verwandtschaftlichen Beziehungen der abgebildeten Instrumente zu unsern heutigen diene die folgende Übersicht.
1) Die heutigen Blechblasinstrumente [a) engmensurierte: Trompeten, Hörner, Posaunen, b) weitmensurierte: Bügelhörner und Tuben] sind sämtlich chromatische Instrumente. Vor Erfindung des Systems der Ventile (zu Anfang des 19. Jahrh.) waren sie auf ihre Naturskala, d.h. die harmonischen Obertöne (Aliquottöne) des (tiefsten) Eigentons der Schallröhre, beschränkt. Röhren mit stetig wachsendem Durchmesser (»weitmensurierte«) geben die tiefen, solche von durchweg kleinem Durchmesser, der nur dicht vor der Stürze sich schnell erweitert, die höhern Töne leicht an. Zu den engmensurierten Blechinstrumenten gehören die römischen gerade gestreckten (Tafel I, Fig. 7 u. 9) oder auch gewundenen (Tafel I, Fig. 8) militärischen Signalinstrumente und auch die nordischen Luren (Tafel III, Fig. 3), welch letztere in das Bronzezeitalter gesetzt werden. Das spätere Mittelalter gab den Blechinstrumenten eine chromatische Skala durch den Zugmechanismus, wie er noch heute der Zugposaune, in England auch der Zugtrompete (Tafel III, Fig. 12) eigen ist. Das Horn, das seine heutige Gestalt im 17. Jahrh. erhielt, verschmähte die Zugvorrichtung dauernd und blieb Naturinstrument mit lückenhafter Skala bis zum Aufkommen der Ventile (Naturhorn, Waldhorn, Tafel III, Fig. 11 a). Die eigentlichen Vorfahren der (weitmensurierten) Bügelhörner und Tuben sind die aus Holz gefertigten Zinken (Tafel III, Fig. 10); dieselben machten vom Überblasen in höhere Naturtöne keinen Gebrauch, sondern verfügten nur über eine beschränkte diatonische Skala durch eine Anzahl durch Aufsetzen der Finger zu schließender oder zu öffnender Tonlöcher nach Art unsrer Holzblasinstrumente, wurden aber wie unsre Blechinstrumente durch ein Kesselmundstück angeblasen. Größere Arten (von tiefer Tonlage) wurden gekrümmt gebaut, um dem Spieler das Erreichen der Tonlöcher zu ermöglichen (Schlangenrohr, Serpent). Vorübergehend kamen auch Blechinstrumente weiter Mensur mit Tonlöchern und Klappen nach Art der Zinken zu Ende des 18. Jahrh. in Aufnahme (Klappenhorn, Klappentrompete und für tiefe Tonlagen Ophikleïde).
2) Die Holzblasinstrumente schieden sich wahrscheinlich schon im Altertum in Flöten (mit Kern und Aufschnitt wie die heutige Flöte) und die Labialpfeifen der Orgel (vgl. Blasinstrumente) und Schalmeien (Zungenpfeifen). Der griechische Aulos (Tafel I, Fig. 5 u. 6) und die römische Tibia (Tafel I, Fig. 4) waren aber jedenfalls Schalmeien, ähnlich der Tafel III, Fig. 4, abgebildeten deutschen Schalmei, bei der das Doppelrohrblatt in einem Kesselmundstück stand, durch dessen Wegfall sich aus den Schalmeien und[314] ihren größern Arten (den Bomharten) im 16.17. Jahrh. Oboe und Fagott (Tafel III, Fig. 6 u. 7) entwickelten. Doch legt die Erfindung der Orgel (im 2. Jahrh. v. Chr.), die von Anfang an Pfeifen der Konstruktion unsrer Labialpfeifen hatte, die Vermutung nahe, daß auch das Altertum schon mit den Lippen angeblasene wirkliche Flöten hatte (die antike Syrinx- [Panspfeife] war sogar sicher eine Verbindung mehrerer Flöten, deren jede aber nur einen Ton angab). Der ebenfalls ins Altertum zurückreichende Dudelsack (Sackpfeife, Musa, Musette) hatte Zungenpfeifen, die aber mittels eines Windsackes, den der Spieler mit dem Arme komprimierte, angeblasen wurden; die Speisung des Windsackes erfolgte entweder durch Einblasen mit dem Mund, oder aber (später) mittels eines kleinen Balges (Tafel III, Fig. 8). Ein oder zwei Baßpfeifen (Bourdons) gaben fortgesetzt dieselben Töne, auf einer dritten wurden auf Grifflöchern die Melodien gespielt. Die französische Schal ni ei (Tafel III, Fig. 5) hatte ein einfaches Rohrblatt (aufschlagende Zunge). Sie wurde um 1700 zur Klarinette vervollkommt, von der das geknickt gebaute Bassetthorn (Fig. 9) eine größere Abart ist.
3) Die Saiteninstrumente scheiden sich zuerst in a) Harfen und Lauten und b) Streichinstrumente. Letztere waren dem Altertum unbekannt. a) Harfeninstrumente nennen wir solche, bei denen jede Saite stets denselben Ton gibt, so daß das Tonvermögen des Instruments durch die Anzahl der Saiten bestimmt ist. Diese Anzahl ist aber nach erhaltenen Abbildungen bereits bei der altägyptischen Harfe (Tafel III, Fig. 13) eine sehr große gewesen. Auch die Griechen haben solche Instrumente gekannt und vermutlich von den Ägyptern übernommen (Phorminx, Barbitos, Magadis), desgleichen die Hebräer, auch die Chinesen (Kin. Tafel III, Fig. 1). Doch bevorzugten die Griechen saitenärmere Instrumente dieser Art, unter denen die Kithara (Tafel I, Fig. 2) und Lyra (Tafel I, Fig. 1) oben an stehen, deren primitive Form das äthiopische Kissar konserviert hat (Tafel I, Fig. 3). b) Lauteninstrumente sind solche, bei denen von derselben Saite durch Verkürzung mittels Aufdrückens auf ein Griffbrett (mit Bünden) Töne verschiedener Höhe erzielt werden. Liegen die Saiten auf einem flachen Resonanzkasten auf, wie bei dem chinesischen Tsche (Tafel III, Fig. 2) sowie der mittelalterlichen Rotta (Psalter, Hackbrett), oder auch auf schmalem Resonanzkörper, wie dem hohlen Bambus der indischen Vina (Tafel I, Fig. 15), so haben wir Vorfahren der modernen Zither vor uns. Doch weisen auch schon altägyptische Denkmäler Abbildungen von Inst rumenten auf, die wie das arabische Tanbur (Tafel II, Fig. 1) direkt auf die wirkliche Laute (Fig. 5) und ihre größern Abarten, die Theorbe (Fig. 6) und große Baß- oder Erzlaute (Fig. 7), und kleinere, die in Italien noch erhaltene Mandoline (Fig. 8) und die russische Balalaika (Fig. 9) und die Gitarre, hinführen, nämlich solche, bei denen ein langgestreckter Hals an dem aufrecht gehaltenen Instrument der greifenden Hand ein bequemes Hinauf- und Herabgleiten gestattet wie bei den Streichinstrumenten.
4) Die Streichinstrumente sind wahrscheinlich abendländischen Ursprungs, da die keltische Chrotta (Crewth, Tafel I, Fig. 10) sich bis ins frühe Mittelalter nachweisen läßt. Sowohl für das arabische Rebab (Tafel II, Fig. 3) und Kemantsche (Tafel II, Fig. 2) als die indische Serinda (Tafel II, Fig. 4) ist ein hohes Alter nicht nachweisbar. Dagegen finden sich Abbildungen von Streichinstrumenten der beiden auf Tafel I, Fig. 13 (Gigue) und Fig. 12 (Viella) wiedergegebenen Typen bis ins 10. Jahrh., wenn nicht noch weiter zurück. Das Organistrum, die erst in unsern Tagen allmählich absterbende Drehleier (Tafel I, Fig. 14), war bereits im 10. Jahrh. das Lieblingsinstrument der Dilettanten. Eine andre Urform der Streichinstrumente hat sich in dem Trumscheit (Tromba marina, Tafel I, Fig. 11) bis in die neuere Zeit erhalten, ein roh gezimmerter Resonanzkörper mit nur einer Saite und beweglichem, stark schnarrendem Steg (auf dem Trumscheit wurden nur Flageolettöne gespielt). Die letzte Formwandlung der Streichinstrumente vor Auffindung des heute allein festgehaltenen Typus der Violine (im 16. Jahrh.) zeigt Tafel II, Fig. 10, in der Viola, die in verschiedenen Größen nach gleichem Modell gebaut wurde (als Baßinstrument Gambe). Von den mancherlei sonderbaren, nach Lautenart saitenreicher gebauter Abarten der Viola gibt Tafel II, Fig. 11, ein Beispiel, das Baryton, eine größere Art der noch heute existierenden Viola d'amour.
Die bedeutendsten Sammlungen alter M. befinden sich in Paris, London, Berlin, München, Nürnberg (Germanisches Museum), Salzburg, Florenz, Leipzig (Paul de Wit), besonders wertvoll sind die Loan-Collection in London (vgl. Hipkins u. Gibb, Musical instruments, historic, rare and unique, Lond. 1887), das Museum des Konservatoriums in Brüssel (Katalog von Mahillon, 18931900, 3 Bde.) und die königliche Musikinstrumentensammlung in Berlin (Katalog von O. Fleischer, 1892), letztere auch reich an historisch berühmten Instrumenten von Friedrich d. Gr., Bach, Mozart, Beethoven u.a. Vgl. ferner Rambosson, Histoire des instruments de musique (Par. 1897); Buhle, Die musikalischen Instrumente in den Miniaturen des frühen Mittelalters (Leipz. 1903); über die heutigen M. orientieren R Hofmann, Die M., ihre Beschreibung u. Verwendung (6. Aufl., das. 1903), und Riemann, Katechismus der M. (3. Aufl., das. 1904); »Zeitschrift für Instrumentenbau« (hrsg. von P. de Wit, das., seit 1880); »Musikinstrumenten-Zeitung« (hrsg. von Baetz, Berl., seit 1890); »Welt-Adreßbuch der gesamten Musikinstrumentenindustrie« (hrsg. von P. de Wit, Leipz. 1903).
Von vorgeschichtlichen Musikinstrumenten sind nur Rasseln aus Ton (hohle Körper mit kleinen Steinen im Innern), Flöten aus Hirschhorn, Beinknochen (Röhrenknochen vom Pferd und Zehenknochen von Wiederkäuern) und Klapperbleche aus Bronze erhalten, aus der nordischen Bronzezeit dann die Luren (s. d.). Vgl. Angul Hammerich in den »Mémoires des Antiquaires du Nord«, 189095, S. 137ff.; Olshausen, Vorgeschichtliche Trompeten (Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, 1891). Über mechanische (automatische) M. s. Musikwerke.
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