Kuppel

[847] Kuppel, die über meist runden Gebäuden oder runden Gebäudeteilen errichtete, nach der Form einer Rotationsfläche gebildete Deckenkonstruktion aus Stein, Holz oder Eisen, in deren Scheitel sich oft eine runde Lichtöffnung befindet, die offen bleibt, oder durch ein Glasfenster (Oberlicht) geschlossen oder mit einem an den Seiten mit Fenstern versehenen Türmchen (Laterne) überbaut wird. Als Erzeugungslinie der Rotationsfläche dient meist die Kreislinie (Kreissegment oder Halbkreis), aber auch die Ellipse, Parabel etc. Wird eine K. mit kreisförmigem Horizontalschnitt über einem quadratischen Raum angebracht, so entsteht die Hängekuppel. Über diese sowie über das Kuppelgewölbe s. Gewölbe. Die ersten kuppelartigen Decken finden wir bei den Griechen, wo sie aus allmählich enger werdenden, ringförmigen horizontalen Steinlagen bestanden (s. Kuppelgräber). Die ersten wirklich gewölbten Kuppeln scheinen der Diadochenzeit anzugehören. Bei den Römern bildete sich der Bau gewölbter Kuppeln weiter aus, unter denen die über dem Pantheon in Rom (s. Tafel »Architektur IV«, Fig. 14–16) eine der ältesten ist. Dieser ursprünglich zu den Thermen des Agrippa gehörende Bau wurde unter Augustus von Valerius von Ostia ausgeführt und unter Hadrian weiter ausgebaut. Er hat eine kassettierte K. von 43,5 m innerm Durchmesser und fast ebensoviel lichter Höhe, oben eine unverglaste Öffnung von 9 m Durchmesser. Eine höhere Ausbildung erfuhren die Kuppeln noch in der altchristlichen Baukunst. Das berühmteste Denkmal dieser Zeit ist die K. der Sophienkirche in Konstantinopel (s. Tafel »Architektur VI«, Fig. 8 u. 9; vgl. auch Fig. 6), die für viele Kirchenkuppeln des Abendlandes vorbildlich wurde. Dieser unter Justinian von Anthemius von Tralles und Isidorus von Milet (532–537 u. 559) ausgeführte Bau bildet ein Rechteck von 73 m Breite und rund 90 m Länge, dessen 31,4 m breites Mittelschiff von einer ganzen K. in der Mitte und zwei halben Kuppeln zu beiden Seiten bedeckt wird, an welch letztere sich wieder je zwei mit Halbkuppeln überwölbte Nischen anschließen. Die über dem quadratischen Mittelraum errichtete Hauptkuppel bildet eine Hängekuppel, die im Scheitel geschlossen und durch eine umlaufende Fensterreihe seitlich erleuchtet wird. Auch die Kuppeln der mohammedanischen Moscheen (s. Tafel »Architektur VII«, Fig. 2 u. 5) sind auf das byzantinische Vorbild zurückzuführen. Der gotische Stil verdrängte die K. in Deutschland, während er sie in andern Ländern, freilich als widerstrebendes Element, in sich aufnahm. Die höchste technische und architektonische Ausbildung erhielt die K. in der italienischen Renaissancebaukunst. Brunellescos K. auf dem Dom in Florenz fand Nachahmung in dem berühmten Kuppelbau der Peterskirche in Rom (s. Tafel »Architektur X«, Fig. 2–4), dem gepriesenen Muster der katholischen Kirchenbaukunst, dem auch die Paulskirche in London nachgebildet ist. Die zuerst von Bramante geplante und begonnene und nach verschiedenen Wandlungen von Raffael, Sangallo, Michelangelo, Fontana u. a. ausgeführte Peterskirche hat die höchste K. der Welt, die sich bei einem Durchmesser von 42,5 m 127 m über den Fußboden erhebt, auf einem außen durch Säulen, innen durch Pilasterstellung gegliederten Tambour ruht und mit einer durchbrochenen Laterne gekrönt ist. Unter den Kuppeln des 18. und 19. Jahrh. sind besonders die der Karlskirche in Wien, des Pantheons in Paris (s. Tafel »Architektur XII«, Fig. 5 und 6) und des Invalidendoms ebenda, der Schloßkapelle, des Reichstagsgebäudes und des neuen Domes in Berlin, des Reichsgerichtsgebäudes in Leipzig (s. die Tafeln: Reichstagsgebäude, Berliner Bauten III und Leipziger Bauten 111), der Befreiungshalle in Kelheim und des Justizpalastes in Brüssel hervorzuheben. Die Renaissancekuppel und ihre Nachfolgerinnen ruhen meist auf einem fensterdurchbrochenen Tambour und sind gewöhnlich kassettiert oder mit Fresken geschmückt. Meist ist die innere Schale der K. niedriger als die äußere. Im 16. Jahrh. konstruierte Philibert de l'Orme mittels einzelner Tragrippen aus Bohlen die ersten hölzernen Kuppeln. In neuerer Zeit haben eiserne Kuppeln, zuerst um 1830 bei Überdachung eines Vierungsturms am Dom in Mainz durch Moller, später vielfach Anwendung gefunden und seitdem eine hohe technische Ausbildung, namentlich bei Ausstellungsgebäuden, erfahren, die zu den kühnsten Konstruktionen geführt hat (s. Ausstellungsbauten und Eisenbau, mit Tafeln). Vgl. Schwedler, Die Konstruktion der Kuppeldächer (2. Aufl., Berl. 1877); Durm, Die Domkuppel in Florenz und die K. der Peterskirche in Rom (das. 1887); »K. des Reichstagshauses in Berlin« (in der »Zeitschrift für Bauwesen«, 1897).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 847.
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