[341] Walfisch (Balaena L.), Säugetiergattung aus der Familie der Glattwale (Balaenidae), sehr plump gebaute Tiere ohne Rückenflosse und Furchen auf der Bauchseite, mit breiten, abgestutzten Brustflossen und langen, schmalen Barten, die, wenn der Wal sein Maul schließt, die Gaumenhöhle vollständig nach außen sperren. Der Grönlandswal (Balaena mysticetus Cur., s. Tafel »Wale II«, Fig. 2) wird 18, selbst 24 m lang und dann etwa 150,000 kg schwer. Sein Kopf nimmt etwa 0,30,4 der Gesamtlänge ein, das Maul hat etwa 56 m Länge und 34 m Breite, der Körper ist dick und rund, gegen die Schwanzflosse sehr stark verjüngt, auf der Mitte des Kopfes erhöht, die kleinen Augen liegen über der Einlenkungsstelle des Unterkiefers, der sehr enge Gehörgang etwas weiter hinten, die spaltartigen, S-förmigen, 45 cm langen Spritzlöcher auf der höchsten Stelle der Kopfmitte, die Brustflossen stehen ziemlich in der Mitte des Leibes. Im Maule befinden sich 300360 Barten, von denen die mittelsten 5 m lang werden. Mit Ausnahme weniger Borstenhaare an den Lippen und am Kopf ist die Haut ganz nackt, dunkel graublau, im Alter schwärzlich, auf der Oberseite des Kopfes grauweiß, an der Schnauzenspitze schwarz; doch kommen auch weiße und weiß gescheckte Tiere vor. Die Oberhaut ist verhältnismäßig dünn, die Lederhaut aber schließt eine 20 bis 40 cm dicke Specklage ein. Die Weibchen sind größer und fetter als die Männchen. Der W. bewohnt die höchsten Breiten des Nördlichen Eismeeres und des Großen Weltmeeres, hält sich stets in der Nähe des Eises und macht daher im Laufe des Jahres große Wanderungen. Man trifft ihn zwischen 65 und 75° nördl. Br., und nur die jungen, beweglichen Tiere gehen südlich bis 64°. Er lebt meist in kleinen Trupps von 3 oder 4 Stück, wandert aber in Herden von mehreren hundert Stück (Schulen). Er schwimmt rasch und geschickt, kommt alle 1015 Minuten an die Oberfläche und atmet schnell nacheinander vier- bis sechsmal. Der Strahl, den er auswirft, steigt bis 6 m in die Höhe (vgl. Wale). Verfolgt, schießt er mit großer Schnelligkeit durch das Wasser und kann 1/31 Stunde unter Wasser verweilen. Die Sinnesorgane scheinen im Wasser sehr viel, außerhalb desselben sehr wenig zu leisten. Er nährt sich von kleinen Krebs- und Weichtieren, verschlingt auch wohl kleine Fische, ist aber mit seinem engen Schlunde größern Tieren gegenüber machtlos. Die Paarung geschieht in aufrechter Stellung, und nach zehn Monaten wirft das Weibchen 12 Junge. Diese sind etwa 35 m lang und saugen an den Zitzen der Mutter, die etwa die Größe eines Kuheuters haben, lange Zeit. Die Mutter nimmt sich der Jungen mit großer Liebe an und verteidigt sie rücksichtslos. Der W. erreicht wahrscheinlich ein sehr hohes Alter; er wird wohl nur von dem Schwertfisch angegriffen, doch hat sich seine Zahl durch die Walfischjagd sehr beträchtlich vermindert. Man erlegt ihn mit Harpunen, die aus einem Geschütz auf der Back der Dampfer oder aus Mörserbüchsen vom Boot aus[341] geschossen werden. Die Harpune sitzt an einer langen Leine und trägt ein Sprenggeschoß, das im Körper des Wals explodiert und ihn tötet. Ein Tier von 18 m Länge und 70,000 kg Gewicht gibt ca. 30,000 kg Speck, aus dem man durch Erhitzen in mit Dampf geheizten Kesseln 24,000 kg Tran gewinnt, und 1600 kg Fischbein. Die Abfälle werden auf Fischmehl, Guano, die Knochen auf Knochenmehl und Knochenkohle verarbeitet. Der Bruttoertrag von einem Tier beträgt etwa 4000 Mk., oft viel mehr. Das Fleisch wird nur von den nordischen Völkerschaften gegessen, die auch den Speck verzehren und den Tran trinken. Der Walfischfang (Walerei) wurde schon im 9. Jahrh. von den Norwegern, im 13. und 14. von den Basken betrieben, die 1372 bis nach Neufundland, später tief ins Eismeer vordrangen. 1614 vereinigten sich die holländischen Reeder zu einer Grönländischen Kompanie (auch Nordische Gesellschaft genannt), die sich aber 1645 wieder auflöste. Von England gingen schon 1598 Schiffe in das Nordmeer auf den Walfischfang aus, und zwar von der privilegierten Moskowitischen Kompanie. 1615 forderte Dänemark in der Voraussetzung, Spitzbergen sei ein Teil von Grönland, von den Engländern Tribut; später wurden diese Streitigkeiten dadurch ausgeglichen, daß jede Nation ein besonderes Revier erhielt. Im 17. und 18. Jahrh. behielten die Holländer die Oberhand. 1678 wurden von 55 hamburgischen Schiffen 504 Wale gefangen. Gegenwärtig ist der Walfischfang vorzüglich in den Händen der Amerikaner und Engländer und wird von Schottland aus bei Grönland, von Amerika aus zwischen den Eismeerinseln Amerikas und im Ochotskischen Meere betrieben. Zu Anfang des 18. Jahrh. besuchte der W. die nordamerikanischen Küsten in so großer Zahl, daß die Jagd mit Booten betrieben werden konnte. Später entwickelte sie sich mit größern Schiffen, besonders von Long Island und Bedford aus, zu hoher Blüte, und 1858 betrug der Gehalt ihrer Schiffe 198,000 Ton., und der Ertrag belief sich auf mehr als 30 Mill. Mk. Seitdem hat die amerikanische Walerei stark abgenommen. Die englische begann gegen Ende des 16. Jahrh., erreichte ihren Höhepunkt 1815 mit 164 Schiffen, war 1866 mit 35 Schiffen in den nordischen Meeren vertreten und lieferte ein Erträgnis von über 2 Mill. Mk. Die einst so blühende Walfischerei der Hanseaten, gegen 1620 begonnen, wird jetzt nur noch vereinzelt von Hamburg und Bremen aus betrieben. Im allgemeinen ist der Walfischfang zurückgegangen wegen der gesteigerten Ausrüstungskosten, des geringen Konsums von Tran und Walrat, und weil die Wale infolge der rücksichtslosen Verfolgung immer seltener geworden sind. Seit einigen Jahrzehnten werden auch die Finwalarten mit den geringwertigen kurzen Barten im wesentlichen des Trans halber gejagt. In europäischen Gewässern werden die Wale besonders bei Island, den Färöern und Shetlandinseln gejagt. An den norwegischen Küsten wurde der Walfischfang innerhalb der internationalen 7 km-Seegrenze 1904 auf 10 Jahre verboten, weil die norwegischen Fischer glauben, daß der W. die Fischschwärme zur Küste treibt. Vgl. Lindeman, Die gegenwärtige Eismeerfischerei und der Walfang (Berl. 1899); Tower, A history of American whale fishery (Philad. 1907).
Brockhaus-1911: Walfisch [2] · Walfisch
Meyers-1905: Walfisch [1]