Weihnachtsbaum

[477] Weihnachtsbaum (Christbaum), ein mit brennenden Lichtern, Schmuck und Gaben behängter Baum, der gegenwärtig fast überall auf dem Weihnachtstisch prangt. Der W. entstammt wohl dem volkstümlichen altrömischen Neujahrsfest mit seiner tabula fortunae (einem mit allen denkbaren Genüssen beladenen Tisch als Vorbedeutung für die Fülle des neuen Jahres) und seinen Lorbeer- und Ölbaumzweigen, welche die Halle des Hauses schmückten und aus deren Blättern und Blütenansätzen die Frauen Glück und Unglück für das neue Jahr weissagten. Dies Fest wurde von den Germanen übernommen, und als Zweige des Glücksbaumes benutzte man Tannenzweige. Nach der Begründung des Jesusgeburtsfestes 354 übertrugen sich die Neujahrsfestlichkeiten allmählich auf den 25. Dezember. Bei einem arabischen Geographen des 10. Jahrh. findet sich zuerst der Glaube, daß die Wunder der Märchennacht der Gottesgeburt sich alljährlich wiederholten. Dieser Glaube fand durch die Kirche weite Verbreitung, und man erzählte nun, daß die Bäume im Walde in der Christnacht grünen, blühen und Früchte tragen. Nun stellte man Kirschbaumzweige in Kübeln ins Zimmer, daß sie zu Weihnachten blühten. Vom Sprossen und Blühen dieses Weihnachtsbaumes hing das Glück des folgenden Jahres ab. Diese Sitte hat sich in vielen Gegenden bis in die neueste Zeit erhalten. Wo große Siedelungen und die Wohnungsverhältnisse die Beschaffung der Laubbaumzweige und ihre Pflege erschwerten, da traten Fichten, Tannen und Kiefern oder auch die aus Stäben und buntem Papier hergestellte Pyramide an ihre Stelle. Die Weissagebestimmung aber wurde vergessen. Der älteste W. stand 1605 in Straßburg, er trug Papierrosen, Äpfel, Knistergold und Zuckerwerk. Lichter wurden zuerst 1757 erwähnt. Zunächst fand der W. langsam e, seit den Befreiungskriegen aber schnelle Verbreitung, aber erst nach 1860 auch in nichtdeutschen Ländern. Vgl. Mannhardt, Wald- und Feldkulte, Teil 1 (Berl. 1875); Ortwein, Deutsche Weihnachten (Gotha 1892); Tille, Yule and christmas (Lond. 1899); Kronfeld, Der W. (Oldenb. 1906) und die Literatur beim Artikel »Weihnachten«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 477.
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