Weingarten [1]

[485] Weingarten, 1) Stadt im württemberg. Donaukreis, Oberamt Ravensburg, an der Dampfstraßenbahn Ravensburg-W., 485 m ü. M., hat eine evangelische und eine kath. Kirche, Synagoge, Rettungsanstalt, Porzellanfabrik, Flachsspinnerei, eine Maschinenfabrik, Holzmanufaktur, Preßhefenfabrikation und Branntweinbrennerei, Strumpfstrickerei und (1905) mit der Garnison (ein Infanterieregiment Nr. 124) 7159 Einw., davon 1291 Evangelische und 3 Juden. W. ist 1865 aus dem Flecken Altdorf und dem Schloß W. gebildet worden. Das prachtvolle Schloß W. (jetzt Kaserne) war vormals Sitz einer Reichsabtei des Benediktinerordens, die, als Frauenkloster 920 von den Welfen in Altdorf gegründet, 1047 in ein Mönchskloster umgewandelt, 1053 nach einem Brand in das Stammschloß der welfischen Familie (das gegenwärtige Gebäude) verlegt, 1803 aufgehoben wurde und 1806 an Württemberg fiel. Die Abtei (ehemals mit berühmter Bibliothek, besonders mit wertvollen Handschriften der Minnesinger) umfaßte ein Gebiet von 330 qkm (6 QM.). In der Gruft der 1715–25 im Jesuitenstil erbauten Klosterkirche ruhen die Ahnen des Welfenhauses. Darin findet sich eine der größten Orgeln (mit 6666 Pfeifen und 75 Registern), ein Welfendenkmal (1859 vom König Georg V. von Hannover errichtet) und unter den Reliquien ein »Tropfen vom Blute Christi«, der die Veranlassung zum jährlichen »Blutritt«, einer Prozession zu Pferde, gegeben hat. Zu W. ward 22. April 1525 ein Vertrag zwischen den aufständischen Bauern und dem Truchseß von Waldburg geschlossen. Vgl. Busl, Die ehemalige Benediktinerabtei W. (2. Aufl., Ravensburg 1890). – 2) Flecken im bad. Kreis Karlsruhe, Amt Durlach, an der Staatsbahnlinie Mannheim-Konstanz, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, Synagoge, eine Schloßruine, eine Rettungsanstalt, Tabak- und Weinbau, Porzellanfabrikation und (1905) 4505 meist evang. Einwohner.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 485.
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