[743] Wolsey (spr. ŭóllsi), Thomas, Kardinal und Erzbischof von York, geb. 1474 oder 1475 in Ipswich, gest. 29. Nov. 1530, studierte in Oxford Theologie, ward, durch den Bischof Fox von Winchester empfohlen, Kaplan des Königs, der ihn 1506 als Gesandten zum Kaiser Maximilian nach Brügge schickte, 1509 zu seinem Almosenier und 1510 zum Mitgliede des Geheimen Rates machte. 1513 wurde er Bischof von Dournal, 1514 von Lincoln, in demselben Jahr Erzbischof von York, 1515 Kardinal und im gleichen Jahr Lord-Kanzler von England und Leiter der Regierung des Landes, die er mit staatsmännischer Meisterschaft führte. Die ausschlaggebende Stellung, die König Heinrich VIII. in den Kämpfen zwischen Kaiser Karl V. und Franz I. von Frankreich einnahm, beutete W. zum Nutzen seines Königs, aber auch zu seinem eignen aus. Nachdem er 1518 mit Franz I. einen Vertrag geschlossen hatte, der unter anderm die Rückgabe von Tournai an Frankreich verfügte, wofür W. ein Jahrgeld von 12,000 Livres erhielt, ernannte ihn im gleichen Jahre der Papst zum Legaten a latere mit ausgedehnten Vollmachten und einem Jahrgeld von 7500 Dukaten. Mit Wolseys Gewalt stiegen aber auch sein Stolz, seine Anmaßung und seine Prachtliebe. Er errichtete als Legat seinen eignen Gerichtshof, bedrückte den Klerus, vereinigte die reichen Bistümer Durham und Winchester mit dem Erzbistum York, zog die Abtei St. Albans ein und riß viele andre Pfründen an sich. Seine Einkünfte wurden dadurch fast denen der Krone gleich, und sein Aufwand überstieg den der meisten Könige. Nachdem W. lange Zeit zwischen Franz I. und Karl V. geschwankt hatte und von beiden Seiten mit Gunstbezeigungen überhäuft war, schloß er endlich, durch die Partei der Königin Katharina dazu bewogen, 1521 mit dem Kaiser, der ihm ein reiches Jahrgeld gewährte und auf die Papstwürde Aussichten machte, ein Bündnis und erklärte Frankreich den Krieg. Da aber Karl weder Heinrichs VIII. französische Eroberungspolitik unterstützte noch bei zweimaliger Vakanz des päpstlichen Stuhles seinen Einfluß im Konklave für W. geltend machte, schloß dieser 1525 Frieden mit Frankreich und erklärte sogar 1528 dem Kaiser den Krieg. Diese antihabsburgische Wendung der englischen Politik hing auch mit dem Wunsche Heinrichs VIII. zusammen, sich von seiner Gemahlin Katharina von Aragonien, der Tante des Kaisers, zu trennen, um sich mit Anna Boleyn, seiner Geliebten, zu vereinigen. W. führte die Verhandlungen mit dem Papst, der die Scheidung aussprechen sollte, und als es ihm nicht gelang, diese zu gutem Ende zu bringen, wurde er im Oktober 1529 gestürzt, mußte seinen prächtigen Palast in London, das spätere Whitehall, verlassen und seine Güter dem König einräumen. Gegen eine Anklage des Parlaments schützte zwar Heinrich seinen frühern Minister und beließ ihm auch das Erzbistum York, in das er ihn unter Verbannung vom Hofe verwies. Ehe er aber York erreichte, wurde er von seinen Feinden des Hochverrats angeklagt und verhaftet, um nach London gebracht zu werden. Auf dem Wege dahin starb er in der Abtei Leicester. W. liebte die Wissenschaften und gründete aus eignen Mitteln mehrere Kollegien und Unterrichtsanstalten. Sein Leben beschrieben der Lord William Cavendish (Lond. 1607, neueste Ausg. 1908), Fiddes (das. 1724), Galt (das. 1812, 3. Aufl. 1846), Howard (das. 1824), Martin (Oxf. 1862), Creighton (Lond. 1888) und Taunton (das. 1901). Vgl. auch W. Busch, Drei Jahre englischer Vermittelungspolitik 15181521 (Bonn 1884), Kardinal W. und die englisch-kaiserliche Allianz 15221525 (das. 1886) und Der Sturz des Kardinals W. (im »Historischen Taschenbuch« für 1890).