[557] Anticipation (v. lat.), 1) Vorausnahme; 2) Vorausnahme von Abgaben der Unterthanen durch eine in Verlegenheiten verwickelte Regierung; 3) (Hdlgsw.), Vorschüsse, die ein Commissionär auf Waaren, die er in Consignation hat, deren Eigenthümer macht (Zahlung anticipando), sie müssen stets 1/4 1/2 unter dem Werth sein u. begründen Anspruch auf Zinsvergütung; daher Anticipationsgeschäft; 4) (Philos.), ein Vorbegriff, unter einem allgemeinen Begriff zusammengefaßte Wahrnehmungen od. Grundsätze, nach welchem neue Empfindungen u. Wahrnehmungen geprüft u. so Erfahrungen evident gemacht werden: daher Anticipation der Wahrnehmung, Urtheil, wodurch etwas von der Wahrnehmung bestimmt wird; 5) (Rechtsw.), eine gegen den Rechtsgang zu früh unternommene Handlung, weil sie der Zeit nach dem Gesetz zuwider ist; es ist räthlicher, eine solche Handlung zu vermeiden, da sie der Regel nach doch von dem für sie bestimmten Zeitpunkt eine Berücksichtigung nicht findet, zuweilen aber der proceß führenden Partei selbst Schaden bringen kann; 6) Anticipation des Beweises, Führung des Beweises, ehe sie im Processe dem Beweisführer aufgelegt ist. Der Anticipirende tritt dadurch in die Stelle des Beweisführers u. verzichtet auf das Recht, den Beweis des Gegentheils, od. die Zwischenerkenntniß, welches diesen dem Gegentheil auflegt, zu erwarten. Da beim anticipirten Beweise kein peremtorischer Beweistermin gestellt ist, so kann erster bis zur Production geändert, auch nach dem Productionstermine können noch Beweise vorgebracht werden, nur nicht Zeugen nach eröffnetem Zeugenrotul. Wenn der Anticipant gar nichts bewiesen hat, wird mit Setzung eines peremtorischen Beweistermins auf bessern Beweis erkannt; 7) (Rhet.), so v.w. Prolepsis; 8) (Mus.), eine Figur, in welcher eine zu einem Baßtone gegebene u. fortschreitende Melodie od. Harmonie ihren Grund u. ihre Beziehung erst im nächstfolgenden Baßtone findet; 9) (Med.), Frühererscheinen von Krankheitsanfällen, von der Menstruation etc.