Ballet

[249] Ballet (v. ital. ballare, tanzen), 1) im Mittelalter große Tänze, welche in Ballsälen aufgeführt wurden; jetzt 2) theatralischer Tanz, in welchem durch Zusammenwirkung mehrerer Tanzenden eine bestimmte Handlung dargestellt wird. Das B. wird meist auf dem Theater unter der Leitung eines Balletmeisters, der selbst Tänzer ist, aufgeführt; die im B. dargestellte Handlung setzt poetische Erfindung voraus, die aber auf dasjenige gerichtet sein muß, was durch sichtbare Bewegungen überhaupt u. bes. durch Tanzbewegungen ausgedrückt werden kann; am meisten ist es eine solche ernste od. komische Handlung, welche sich in sichtbaren Lagen von abwechselndem Charakter vor den Zuschauern entwickelt u. Gemüthsbewegungen erweckt, die sich leicht durch mannigfaltige Körperbewegung kundgeben lassen Diese Körperbewegungen werden im B. zur höchsten Ausbildung erhoben u. durch Musik, die von dem schärfsten Rhythmus sein muß, u. durch Theatermalerei unterstützt. Ist der Rhythmus streng u. durch Musik (Balletmusik) begleitet, dann ist dies eigentliches B.; im entgegengesetzten Falle ist es pantomimisches B., in welchem Tanz u. bloße Geberdensprache in freier rhythmischer Bewegung wechseln. Das B. kann aus Geschichte, Sage u. Fabel od. auch frei aus der Phantasie geschöpft sein, daher unterscheidet man historische, mythologische, allegorische, idyllische, phantastische B-s. Auch theilt man die B-s in große (ernste) u. in komische B-s; erstere füllen 2–5 Acte u. somit wohl einen ganzen Abend aus, letztere aber, die Divertissements, welche in 1 Act Gegenstände aus dem Landleben, auch aus dem gemeinen Leben behandeln, werden alt Nach- od. Zwischenspiele gegeben. Große B-s sind nicht füglich ohne eigene Balletprogramme zu verstehen, die, wie Textbücher zu Opern, ausgegeben werden, u. worin der Gang der Handlung u. was durch die Pantomime u. den Tanz ausgedrückt werden soll, beschrieben wird. Der Ballettanz erfordert zum Verständniß der Handlung die sprechendsten Geberden u. Bewegungen, da hier dieselben statt der Rede im Schauspiel gebraucht werden, Gewandtheit mit Grazie verbunden von Seiten jedes Einzelnen u. malerische Anordnung in Beziehung auf Gruppen u. Ensembles (Tableaux). Zwar hat das B. als Kunstwerk ästhetischen Werth, indessen steht es weit unter dem Drama u. der Oper, da es nur einen Sinn, das Auge, befriedigt u. die Musik immer bei demselben nur Nebensache ist. Die Franzosen sind Meister in Erfindung u. Ausführung des B-s; doch haben auch die Italiener u. nach beiden die Deutschen in diesem Gebiete Ausgezeichnetes geleistet. Das B. entwickelte sich erst seit dem 16. Jahrh. bei den Italienern, namentlich durch den Grafen Aglio am Turiner Hofe, doch war es damals durchaus allegorisch; Baltagerini führte es an dem Französischen Hofe ein, doch vermischte man hier B. u. Maskeraden. Sully ergötzte sich sehr daran, Ludwig XIII. u. XIV. tanzten selbst in mehreren B-s mit, u. der Herzog von Nemours schr. ein B. Zu Ende des 17. Jahrh. wieß Antoine Houbert de la Motte dem B. dramatische Elemente zu, u. nun begannen auch Frauen im B. zu tanzen, gelangten aber erst spät im Tanzen zu gleicher Bedeutung u. Berühmtheit als die Männer. In der Mitte des 18. Jahrh. beginnt die glänzendste Periode des B-s. Der Franzos Noverre gab ihm seine eigenthümliche Form, indem er es von der Oper trennte u. zu einer selbständigen [249] Darstellung machte. Damals wendeten auch kleinere Höfe, wie zu Stuttgart u. Dresden, ungeheuere Summen auf das B. Gardel u. Vestris waren Noverre's Schüler; auch Duport war ein großer B-meister. Galeotti in Kopenhagen brachte den Tanz in den Hintergrund u. begründete durch die Zurückführung des B-s auf die dramatische Plastik die rhythmischen Pantomimen. Unter den Italienern zeichnete sich Vigano durch Erfindung aus, unter den Deutschen Horschelt, der das Kinder-B. in Wien errichtete, Hoguet u. Taglioni, B-meister in Berlin, durch Anordnung großer B-s. Da die Herstellung eines guten B-s durch die hohe Besoldung guter Tänzer u. durch den Aufwand, den das in die Scene-Setzen des B-s macht, große Summen fordert, so kommen gute B-s nur in kaiserlichen u. königlichen Residenzen vor, so in Mailand, Neapel, an der großen Italienischen Oper zu Paris u. London, zu Wien, Berlin u. Petersburg. Vgl. Noverre, Lettres sur la danse et sur le ballet, Lyon 1760, 12 Bde.; Bannet, Hist. gén. de la danse sacrée et profane, Par. 1725.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 249-250.
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