[50] Bollwerk, 1) eigentlich ein Pfahlwerk, bes. ein Werk, welches aus Pfählen zur Belagerung od. Vertheidigung eines Ortes aufgeführt wird; jetzt 2) (fr. Bastion), ein von dem Umfange der Festung vorspringender Walltheil, besteht aus 2 Facen (Gesichtslinien), den nach dem Felde zu gerichteten, in der Punte (Bollwerkspunkt, Bollwerksspitze) zusammenlaufenden Walllinien u. 2 Flanken (Streichwehren), welche in den Schulterpunkten, die dort zugleich die Schulterwinkel bilden, an die beiden Facen stoßen u. in den Curtinenpunkten mit der Curtine (Mittelwalle), die stets 2 neben einander liegende Bastione verbindet, zusammenhängen. Die Facen werden[50] stets nur so weit von der entsprechenden Flanke entfernt gelegt, daß ihre Spitze von dort aus mit Kartätschen bestrichen werden kann, was eine Entfernung von 350 Schritt u. für die Facen eine Länge von 150 Schritt ergibt. Die Flanken sind meist 1/31/2 so lang, als die Facen, doch räth Coehorn u. Andere zu längeren Flanken. Zuweilen hat man sie auch doppelt, od. dreifach über u. hinter einander gelegt; die vordere heißt dann die niedere, die hintere die hohe, die in der Mitte die mittlere Flanke, um das Feuer der Contrebatterien zu dämpfen u. den Übergang über den Graben zu hindern. Oft sind die Flanken am B. zurückgezogen, so daß sie weiter nach dem Innern des B-s zu liegen. Gewöhnlich werden sie dann durch ein Orillon (Bollwerksohr), einen abgerundeten Vorsprung der Face (welchen Vauban bei seinem ersten System u. Coehorn noch häufig anwendeten) gegen Enfilade gedeckt (bedeckte Flanke). Zuweilen sind die Flanken auch nach innen gebogen (Tours creuses), öfter aber gerade. Die Curtine ist geradlinig od. gebrochen (selten u. fehlerhaft krumm); in ihr liegen die Thore u. Ausfälle. Die gedachte Linie von einer B-spitze bis zum Curtinenpunkte des correspondirenden B-s, heißt Streich- (Defens-) linie, bei älteren B-sbesestigungen bildete die Defenslinie einen spitzen Winkel mit der Flanke des anderen B-s; dies hatte den Nachtheil, daß die Flanke die eigene Face traf, daher wurden sodann die Flanken rechtwinklig u. sogar stumpfwinklig zu den zu flankirenden Linien gestellt. Trifft die Verlängerung der Face des B-s vom B-spunkt aus über dem Schulterpunkt noch auf die Curtine auf, so heißt das Stück Curtine zwischen dem auftreffenden Punkt u. dem Curtineupunkt Nebenflanke (Second flanc); sie waren besonders sonst bei den alten italienischen u. spanischen Systemen sehr gewöhnlich u. wurden durch einige Geschütze, die durch schiefe Schießscharten längs der Face des Neben-B-s feuerten, besetzt, sind aber neuerdings nicht mehr üblich; jetzt braucht man lieber die Curtine in der Richtung dieser Verlängerung, bis, sie mit der Verlängerung der Flanke zusammentrifft. Dieses gebrochene Stück der Curtine heißt Brisure. Die gedachte Linie, welche ein reguläres B. in 2 gleiche Theile theilt, heißt Capitale. Der von den beiden Facen des B-s gebildete Winkel am B-spunkt heißt der Bollwerkswinkel; er darf, um nicht zu spitzig zu werden, nicht unter 60 Grad sein, wohl aber weit stumpfer. Die Entfernung der beiden Curtinenpunkte eines B-s von einander, also der innere Raum eines B-s, heißt die Kehle des B-s; der Punkt, wo sich die beiden verlängerten Curtinen schneiden, Kehlpunkt; der Winkel dabei, Kehlwinkel; die Entfernung des Kehlpunkts vom Curtinenpunkte aber halbe Kehllinie. Der Zweck der B-e ist, Raum zur Aufstellung einer bedeutenden Menge Geschütz u. Truppen zu gewinnen, um sich gegen den feindlichen Angriff direct zu vertheidigen, bes. aber, sich gegenseltig durch ihr Feuer zu unterstützen, so daß das eine B. durch das Feuer der Flanken u. Facen mehr das Neben-B., als sich selbst vertheidigt. Liegen die B-e vor dem ununterbrochen um die Festung herumlaufenden Walle, so heißen sie abgesonderte (abgerückte) B-e; sind sie etwas weiter von ihm entfernt, detaschirte B-e. Sie sind spitzige od. stumpfe nach der Form ihres vorspringenden Winkels; abgestumpfte, wenn die Spitze gleichsam abgeschnitten ist; tenaillirte, wenn der vorderste Theil statt einer Spitze einen eingehenden Winkel bildet; hohle (Kessel-B-e), die innerhalb des Wallgangs einen leeren vertieften Raum (den Kessel) haben; füllt im Gegentheil der Wallgang den inneren Raum völlig aus, so heißen die Bollwerke voll. Je nachdem sie in der Mitte od. an den Enden der ganzen Seite einer Festung liegen, heißen sie Mittel-Bollwerke od. Eck-Bollwerke, u. wenn sie nicht ganz, sondern gleichsam in der Mitte in der Verlängerung der Capitale aus einander geschnitten sind u. nur 1 Face u. 1 Flanke haben, halbe Bollwerke. Wahrscheinlich wurden die B-e zuerst 1527 von Michaeli bei Verona angewendet, u. er kam durch die weit früher schon gewöhnlichen Rondele, deren Rundung er nur brach, auf diese Idee. Am meisten ausgebildet wurde in der Folge die Befestigung mit B-en durch Speckle, Marchi, Freitag, Pagan, Coehorn, Vauban, Cormontaigne u. A. Vgl. Zastrow, Geschichte der permanenten Befestigungskunst, 3. Aufl., Lpz. 1854.