Civilpunkt

[178] Civilpunkt, diejenigen civilrechtlichen Fragen, welche im Strafprocesse neben der nach criminalrechtlichen Grundsätzen zu leitenden Verhandlung über die öffentliche Bestrafung einer That in ihrer besondern Eigenschaft als Verbrechen vorkommen. Fragen dieser Art können theils als präparatorische, theils als präjudicielle, theils nur als incidentelle, welche nur gelegentlich mit zur Verhandlung gelangen, ohne deshalb zur Erörterung u. Bestrafung der verbrecherischen Handlung gerade nothwendig zu sein, vorkommen. Präparatorischer Natur sind solche C-e, welche dem Criminalrichter das einzuleitende Verfahren erleichtern, wie z.B., wenn aus einem Concurse hervorgeht, daß der Cridar sich Handlungen erlaubt hat, welche mit dem Strafgesetz in Widerspruch stehen. Präjudiciell wird der C., wenn ohne Erledigung der civilrechtlichen Frage nach den Regeln des Civilrechtes ein Verbrechen sich gar nicht denken läßt, wie dies z.B. der Fall ist, wenn es sich um das Verbrechen eines in einem Civilprocesse begangenen Meineides handelt u. die Frage entsteht, ob der Cid nach den Regeln des Civilprocesses abgeleistet worden sei; od. wenn ein Ehebruch in Frage ist u. nicht feststeht, ob überhaupt eine Ehe gültig abgeschlossen worden war. Incidentell kommen C-e bes. vor, insofern es sich z.B. um die Ernährung u. Kleidung eines Angeschuldigten od. auch darum handelt, daß solche, welche durch das Verbrechen beschädigt worden sind (die Damnisicaten), Ansprüche auf Ersatz ihrer Schäden, Rückgabe des Gestohlenen, od. eine sonstige civilrechtliche Genugthuung verlangen (Civilansprüche). Der letztere Fall eines erhobenen Civilanspruchs u. die deshalb darüber zuführende Verhandlung wird vorzugsweise als der C. bezeichnet. Für den gemeinen Untersuchungsproceß hat dafür die Praxis eine eigene Verfahrungsart, den sogenannten Adhäsionsproceß (s.d.) gebildet. Im Allgemeinen gilt dabei der Grundsatz, duft die Berücksichtigung des C-s im Strafverfahren nur von dem Willen des Betheiligten abhängt. Es steht demselben daher frei, seinen Anspruch auch im Wege einer sogenannten Civilklage zu verfolgen. Die Verbindung des Civilenspruches mit dem Strafprocesse bleibt dabei auch ur eine formelle äußere, indem für die Behandlung u. Entscheidung des ersteren die Regeln des Civilprocesses, namentlich bezüglich des Beweises, maßgebend bleiben. Nur insofern hat der Adhärent dabei einen Vortheil, daß er sich der für den Strafpunkt ausgemittelten Beweise auch sofort bedienen kann, insofern nur dieselben auch im Civilprocesse zulässig sein würden. Ist der Strafproceß bereits beendet, so kann die Civilpartei nicht mehr bei dem Strafrichter klagen, sondern ist alsdann mit der Geltendmachung ihres Anspruches nur an den Civilrichter gewiesen. Im neueren Anklageprocesse kann der C. in ähnlicher Weise dadurch geltend gemacht werden, daß die Civilpartei dem Staatsanwalt zur Seite tritt. Immer ist indessen auch hier die Stellung beider Personen aus einander zu halten, u. es hat die Civilpartei daher die Begründung ihres Anspruches auch hier im Ganzen nach denjenigen Regeln zu erbringen, welche für eine Civilklage gelten. Wirken Geschworene mit, so bindet der Ausspruch derselben hinsichtlich der Thatfrage auch die Civilpartei; es bleibt derselben aber verstattet, ihre Ausprüche dann noch im Wege des Civilprocesses abgesoudert geltend zu machen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 178.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: