[174] Genugthuung (Satisfaction), 1) die Vergütung des durch eine gesetzwidrige Handlung gestifteten Schadens, wozu in der Regel der Urheber dieser Handlung verbunden ist; 2) die Eingehung eines Duells, um dadurch die gekränkte od. beschädigte Ehre eines Anderen wieder herzustellen; insbesondere 3) die Erklärung, durch welche eine Beleidigung durch den Beleidiger selbst formell vernichtet wird, indem er Abbitte, Ehrenerklärung u. Widerruf leistet; im Gegensatz zur öffentlichen Strafe für Injurien heißt sie Privatgenugthuung. Die Privatgenugthuung eignet sich mehr zum Vergleich bei freiwilliger Rücknahme der Beleidigung, nicht aber zur gesetzlichen Ausgleichung, indem sie in den Augen des Publicums dann wenig Werth hat. Die neueren Legislationen haben daher meist öffentliche Strafen (Geld od. Gefängniß) substituirt, od. sie gewähren daneben die Privatgenugthuung nur in der Art, daß der Beleidigte auf Kosten des Beleidigers eine beglaubigte Abschrift des Straferkenntnisses verlangen, auch bei öffentlich zugefügten Injurien fordern kann, daß das Straferkenntniß in öffentlichen Blättern bekannt gemacht werde; 4) G. Christi, Theil des Mittler- u. Hohenpriesteramtes Christi, nach der protestantischen Kirchenlehre die That Christi, wodurch er als Gottmensch durch sein Leiden u. Sterben die Schuld der Menschen auf sich genommen u. alle Strafen für ihre Sünden gebüßt hat. Diese Lehre, die im Neuen Testament bes. vom Apostel Paulus u. im Brief an die Hebräer vertreten wird, wurde in den ersten Jahrhunderten ohne tiefere wissenschaftliche Begründung, in der scholastischen Zeit aber von Anselm von Canterbury dahin bestimmt, daß Christus als Mensch für Menschen u. als Gott wegen der beleidigten Majestät Gottes eine entsprechende G. leisten mußte (Anselmische Satisfactionslehre), u. dabei von den Thomisten behauptet, daß Christus Gott mehr geleistet, als nöthig gewesen sei (Satisfactio superabundans); von den Scotisten aber, daß die Leistung Gott genügend gewesen sei (Acceptatio dei gratuita). Dieser Theorie folgten die Reformatoren unter Verwerfung aller anderen Versöhnungsmittel, während die Katholiken an dem überschüssigem Verdienst Christi festhielten; doch wurde diese Lehre, namentlich als die Concordienformel die Lehre vom thätigen u. leistenden Gehorsam (s.d.) beifügte, vielfach bestritten, bes. später von den Socinianern. Hugo Grotius bestimmte deshalb diesen gegenüber die G. Jesu dahin, daß dadurch nicht Gott, sondern dem Gesetz genug gethan worden sei (Justitia dei rectoria), u. in dieser Auffassung folgten die späteren Theologen, obschon eine große Zahl die G. Christi überhaupt bestritt u. andere, wie Schleiermacher, De Wette, Marheinecke, sich oft ganz dem biblischen Sinne entgegen, in philosophischen Deutungen darüber aussprachen. Unter den strengen Lutheranern ist seit 1856 über diese Lehre ein noch nicht beigelegter wissenschaftlicher Streit entstanden, indem sich von Hofmann in Erlangen gegen die stellvertretende G. nach der Kirchenlehre erklärt u. deshalb von Philippi in Rostock bekämpft worden ist. Vgl. Ebrard, Die Lehre von der stellvertretenden Genugthuung in der heiligen Schrift begründet, Königsb. 1857.