Lettre u. Mehrzahl Lettres

[311] Lettre u. Mehrzahl Lettres (spr. Letter), Brief, Briefe; L. de change (spr. Letter d'Schangsch), Wechselbrief. Lettres de cachet (spr. Letter d'kascheh). Vor der Revolution ergingen alle Ausfertigungen der französischen Regierung entweder a) offen (L. patentes), sie waren auf Pergament geschrieben, der Name des Königs von einem Staatsminister unterzeichnet, vom Minister contrasignirt, nicht zusammengefaltet, sondern nur am unteren Rande umgebogen, mit dem großen Staatssiegel versehen, u. endigten mit den Worten: Car tel est notre plaisir; so Edicte, Verordnungen, Gnadenbriefe, Privilegien u. dgl.; sie bedurften der Einregistrirung des Parlaments u. wurden daher oft durch Vorstellungen desselben gehemmt; od. b) verschlossen (L. de cachet, L. closes), sie waren auf Papier geschrieben, theils im Namen u. mit Unterschrift des Königs, welcher darin in der ersten Person sprach u. schloß: Sur ce je prie Dieu, qu'il vous ait dans sa sainte et divine garde, theils im Auftrag desselben, mit den Anfangsworten: De par le Roi: Il est ordonné à etc., unterzeichnet von einem Minister u. mit dem kleinen königlichen Siegel verschlossen. Alle Befehle an Behörden u. Individuen (eingeforderte Gutachten, persönliche Ortsveränderungen, Verweisungen aus der Residenz od. dem Lande, auch oft Verhaftsbefehle) ergingen in dieser Form. Um zu letzteren in dringenden Fällen die Polizei stets in Stand zu setzen, erhielt der Lieutenant général de la police von Paris im Voraus eine Anzahl unausgefüllter L. de cachet zur bedürfenden Ausfüllung, was der Willkür freie Bahn öffnete, indem bes. seit dem Ministerium Richelieus, durch den Vorschlag des Kapuziner Pater Joseph, diese L. de cachet benutzt wurden, wenn die Minister sich Jemands ohne Angaben der Ursachen entledigen wollten.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 311.
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