Machtspruch

[668] Machtspruch (Decisio vi juris eminentis), die landesherrliche unmittelbare Entscheidung einer Rechtssache od. ein höchster Strafbefehl, unter Abweichung von dem gesetzlichen Verfahren u. der Übergehung des eigentlich competenten Richters ertheilt, in Fällen, wo die Selbsterhaltung des Staates u. wo die Collision des Staatswohls mit den Privatrechten eine solche Ausnahme von dem Gesetz dringend u. unabweislich erheischt. Der M. unterscheidet sich also von Cabinetsjustiz u. anderen Justizmißbräuchen, namentlich aber auch von dem sogenannten Durchgreifen (Decisio pro auctoritate), d.h. Entscheiden von Fällen, bei denen es gänzlich an betreffenden Gesetzen fehlt, od. wo die vorhandenen nicht passend sind. Wird einem Richter die Eröffnung u. Vollziehung eines solchen M-es angesonnen, so kann derselbe als öffentlicher Diener der Ausführung der ihm ertheilten Befehle sich schließlich nicht weigern. Indessen ist mit Rücksicht auf die richterliche Function der Befehl nicht als Urtheil, sondern als M. den Parteien zu eröffnen, damit dadurch angezeigt werde, daß derselbe eine eigentliche Rechtskraft nicht besitze.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 668.
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