Siegelmäßig

[63] Siegelmäßig, bedeutet 1) siegelberechtigt, u. ist der, welcher das Recht hat, ein amtliches Siegel zu führen; 2) amtlich anerkannt, z.B. ein Document, welches durch ein amtliches Siegel beglaubigt ist. Daher Siegelmäßigkeit, das nach einzelnen deutschen Landesrechten gewissen höheren Standesklassen, bes. dem Adel, verliehene Verrecht ein eigenes Siegel führen u. unter Anwendung desselben mit öffentlicher Glaubwürdigkeit versehene Urkunden ausstellen zu dürfen, woran sich sodann noch einige andere Privilegien in Bezug auf Eidesleistungen, Verlassenschaftsregulirungen etc. knüpfen. Als eine alte Rechtsgewohnheit bildete sich die Siegelmäßigkeit bes. in Altbaiern aus. Nach dem baierischen Landrechte werden nicht blos alle geistlichen u. weltlichen Stände u. Landsassen, alle adeligen Personen, alle Doctoren, Offiziere, Priester, Patricier, wirklichen u. Titularräthe, sondern auch niedere Beamte, wie Pfleger, Landrichter, Zöllner, Forstbeamte, selbst die kurfürstlichen Kammerdiener als siegelmäßige Personen anerkannt. Eine Verordnung vom Jahre 1808 hob die Siegelmäßigkeit, welche in diesem weiten Umfange zu vielen Mißbräuchen führte, auf. Die Verfassungsurkunde vom Jahre 1818 stellte dieselbe jedoch für das ganze Königreich für den Adel, die eigentlichen Collegienräthe u. einige andere höhere Beamte, in beschränkterem Umfange, wieder her. Zu den mit der Siegelmäßigkeit verbundenen Rechten gehörte hiernach, daß siegelmäßige Personen über unstreitige Rechtsgeschäfte, wie Vollmachten, Vergleiche, Verträge etc. ihre Urkunden durch Unterschrift u. Siegel mit gleicher Kraft fertigen konnten, als wenn dieselben obrigkeitlich protokollirt worden wären. Beim Absterben eines Siegelmäßigen war der Nachlaß von der Versiegelung befreit, die gesammte Regulirung desselben blieb seinen männlichen Blutsverwandten od. einem etwa von dem Verstorbenen bestellten Executor, welcher ebenfalls siegelmäßig sein mußte, überlassen. Den nächsten Verwandten des Siegelmäßigen war, insofern sie auch siegelmäßig wären, das Recht beigelegt für die hinterlassenen Kinder Vormünder aus ihrer Mitte zu wählen. Ein Eid in Civilsachen brauchte von einem Siegelmäßigen nicht förmlich ausgeschworen zu werden etc. In diesem Umfang bestand die Siegelmäßigkeit in Baiern bis 1848, wo dieselbe in Folge ständischer Verhandlungen von Neuem abgeschafft wurde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 63.
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