[467] Vergleich (Transactio), die Feststellung eines in Ansehung seiner Existenz od. seiner Art u. Eigenschaften, Wirkungen u. Folgen, od. nur seines Betrages u. Umfanges zwischen Mehren rechtlich od. thatsächlich zweifelhaften od. schon wirklich zum Streit gediehenen Verhältnisses mittelst gegenseitigen Übereinkommens. Der V. kann hiernach von sehr verschiedenem Inhalt sein; es können V-s halber überhaupt alle möglichen Vermögensveränderungen vorgenommen werden, u. es gehört der V. daher keineswegs ausschließlich od. auch nur vorzugsweise in die Lehre von der Aufhebung der Obligationen, in welche man ihn jedoch gewöhnlich stellt. Bei der Rechtsbeständigkeit eines V-es kommt zunächst: A) die Befugniß zur Abschließung eines V-es insofern in Betracht, als dieselbe in mehrfacher Beziehung beschränkter ist, als bei Eingehung anderer Rechtsgeschäfte. Betrifft der Gegenstand des V-s ein eigenes Interesse, so hängt die Fähigkeit einen V. abzuschließen allerdings nur von denselben Voraussetzungen ab, welche für die Fähigkeit einen onerosen Vertrag abzuschließen erfordert werden. Im Falle der Stellvertretung aber wird, a) wenn die Stellvertretung in Folge des Auftrags des Repräsentirten geschieht, zum Abschlüsse des V-es entweder ein Specialmandat (Mandatum ad transigendum), od. beim Universalmandat eine der beiden Claufeln, entweder die Clausula generalis od. die Clausula cum libera etc. potestate agendi, erfordert, wonach dem Beauftragten völlige Freiheit gegeben ist ganz so zu handeln, wie er es nach eigenem Ermessen für zweckmäßig erachtet, b) Der Vormund kann V-e, welche das Vermögen des Mündels betreffen, in der Regel nicht ohne Zutritt eines obervormundschaftlichen Decretes abschließen, wenn der Gegenstand des V-es einen etwas erheblicheren Werth hat. Dies gilt namentlich da, wenn der V. sich auf eine Veräußerung von Immobilien des Mündels bezieht, c) In wie weit Vertreter juristischer Personen zur Abschließung von V-en befugt sind, hängt zunächst immer von der Verfassung der concreten Corporation ab, welche sie vertreten. Bei Syndiken entscheiden die Grundsätze, welche über die freie Stellvertretung gelten. d) Bei den Stellvertretungen, welche ihren Grund in dem Familienband haben, wie z.B. dem Vater für das Hauskind, dem Kind für den Vater, dem Ehemann für die Ehefrau, richtet sich die Befugniß zu Vergleichsabschlüssen nach den nämlichen Grundsätzen, welche in Betreff der Befugniß zur Veräußerung von Sachen des Einen durch den Anderen gelten. Der Vater kann sich über das Vermögen der Kinder, auch wenn er den. Nießbrauch u. die Administration desselben hat, ohne deren Zustimmung in der Regel nicht vergleichen, ebenso wenig der Ehemann über das Paraphernalvermögen der Frau. Nur insoweit das [467] Vermögen der Kinder dem Vater selbst erworben ist, steht Letzterem auch der V. frei, ebenso dem Ehemann hinsichtlich der Mitgift in den Grenzen, in denen er dieselbe zu veräußern befugt ist. B) Der Gegenstand des V-es muß immer die Beseitigung von etwas Ungewissem sein; ohne solche Ungewißheit besteht kein V. Indessen genügt es, wenn die Paciscenten den Gegenstand, worüber sich verglichen wird, auch nur für ungewiß halten. Es wird deshalb ein V. nicht als solcher für gültig anerkannt, wenn über den fraglichen Umstand bereits ein rechtskräftiges Erkenntniß ertheilt ist, auch über dessen Existenz, Bündigkeit u. Unanfechtbarkeit durch ordentliche Rechtsmittel keine Ungewißheit herrscht. Zur Erreichung des Zweckes aber muß ein gegenseitiges Nachgeben u. Ausgleichen der wider einander aufgestellten Behauptungen u. Ansprüche stattfinden, bestehe dasselbe nun in einem Leisten, Behalten od. Versprechen, also namentlich auch in einem Aufgeben von Ansprüchen. Diese Gegenseitigkeit, daß das Nachgeben des Einen um des Nachgebens des Anderen willen geschieht, scheidet den V. sowohl von dem bloßen Erlaß, wie von der Schenkung ab. Auf die Leistung der dabei bedungenen Prästationen findet dann eine Klage nach den Regeln von unbenannten Contracten statt, insofern nicht geradezu des V-es wegen ein bestimmter anderer Contract eingegangen worden ist. C) In einem Falle fordert schon das Gemeine Recht zur Gültigkeit eines V-es ausnahmsweise die Beobachtung einer gewissen Form. Wenn nämlich ein V. für die Zukunft gänzliche od. theilweise Aufhebung der durch eine Verfügung auf den Todesfall begründeten Verbindlichkeit einer Person Alimente zu geben durch Zahlung einer bestimmten Summe od. sonst eine bestimmte einzelne Leistung bezweckt, so bedarf derselbe richterlicher Bestätigung, welche nur nach vorgängiger Prüfung, wenn der V. sich als vortheilhaft für den Berechtigten darstellt, ertheilt werden soll. Neuere Particularrechte haben dies auf V-e über Alimente überhaupt ausgedehnt, D) Die Wirkung eines V-es ist in negativer Hinsicht die Aufhebung des zweifelhaften Rechtsverhältnisses, in positiver die Substituirung dessen, was verglichen worden ist. Eine Anfechtung der letzteren Festsetzungen kann sowohl wegen Betrugs, als auch wegen Unrichtigkeit dessen, was bei Abschließung des V-es als gewiß vorausgesetzt wurde, erfolgen, nicht aber auch wegen nachheriger Beseitigung der Ungewißheiten, welche den V. veranlaßten. Sehr bestritten ist von jeher gewesen, ob ein V. auch wegen Verletzung über die Hälfte (Laesio enormis) angefochten werden könne. Die neueren Juristen erklären eine solche Anfechtung meist für unstatthaft, u. dieser Ansicht sind auch die neueren Gesetzgebungen (Österreichisches bürgerliches Gesetzbuch u. Preußisches Landrecht) gefolgt, während Andere wenigstens bei gerichtlich geschlossenen V-en die Unstatthaftigkeit annehmen. Die Verletzung eines V-es ist nach Römischem Recht mit der Infamie u. mit dem gänzlichen Verlust der aus demselben erlangten Vortheile bedroht. Der Gebrauch der V-e ist in neuerer Zeit bes. dadurch vermehrt worden, daß nach den Vorschriften der Proceßgesetze vieler Staaten jedem Civilrechtsstreit der Versuch die Streitpunkte durch V. zu erledigen vorangehen muß; andere Staaten haben in den Friedensrichtern, Schiedsmannsinstituten, Freien Gerichtstagen sogar behördliche Institute aufgestellt, welche dazu bestimmt sind, unter Mitwirkung der Obrigkeit od. durch besondere Vertrauensmänner V-e über streitige Rechtsangelegenheiten zu Stande zu bringen; s. Friedensrichter u. Schiedsrichter. Vgl. Risch, Der V. nach gemeinem Rechte, Erlang. 1855.