Patricier

[748] Patricier, 1) (Patricii), im alten Rom die Nachkommen der Senatoren (Patres). Unter den ersten Königen waren sie als Freigeborne (Ingenui) die einzigen Bürger (Cives); als durch die Servianische Verfassung auch die Plebejer das Bürgerrecht bekamen, hießen diese Neubürger, die P. aber bildeten nun als Altbürger einen besonderen Stand (Ordo), den des Erbadels. P. traten in den Stand der Plebejer entweder durch Adoption von einem Plebejer od. durch eine Mißheirath, wogegen Plebejer in den Stand der P. nur durch Senats- od. Curienbeschluß erhoben werden konnten. Da der letztere Fall sehr selten vorkam, so nahmen die patricischen Geschlechter (Gentes) an Zahl sehr ab, daher es zu Ende der Republik nur noch 50 derselben gab, welche Zahl erst die Kaiser durch Nobilitirung vergrößerten. Durch die Servianische Verfassung im Privatrecht den Plebejern gleichgestellt, genossen doch die P. am öffentlichen Rechte mehre Vorzüge, namentlich das Jus honorum, d.h. das Recht auf mehre wichtige Staatsämter, nämlich die Quästur, Militärtribunat, Consulat, Dictatur, Augurat u. Pontificat; aber nach u. nach verloren sie diese Vorrechte, indem auch Plebejer zu diesen Ämtern wählbar wurden (s. Rom, Gesch.), so auch Zutritt zu Richterstellen u. in den Senat bekamen, u. es blieben den P-n blos das Vorrecht, daß aus ihrer Mitte der Interrex u. der Rex sacrificulus gewählt wurde, daß sie mehre Priesterämter, z.B. das der Salii Palatini, bekleideten u. allein an den patricischen Sacra gentilia u. den Ludi trojani theilnehmen konnten. Daß ihnen allein die Comitia curiata offenstanden, verlor bald seine politische Bedeutung (s.u. Comitia), aber ihr größerer Reichthum machte, daß die Benutzung des Ager publicus großentheils in ihrer Hand war. Die einzige äußerliche Auszeichnung der P. vor den Plebejern war, daß sie an den Schuhen statt der Schnalle einen kleinen Mond (Lunula) trugen. Die Kaiserregierung gab den P-n keins ihrer verlorenen Rechte zurück; 2) unter Constantin dem Großen die höchsten Beamteten mit dem Rang nach dem Kaiser; 3) unter den Karolingern u. später Titel eines hohen Beamten, welchem auch die Oberherrschaft über Rom u. dessen Gebiet u. der Schutz des Papstes oblag. Die Kaiser selbst führten den Titel P.; 4) so v.w. Nobili; 5) im 12. u. 13. Jahrh. die angesehensten u. einflußreichsten Familien in den deutschen Reichsstädten u. der Schweiz, wo auch jetzt noch alte vornehme bürgerliche Geschlechter so genannt werden; daher Patricieradel, so v.w. Städteadel, s.u. Adel II. A) d).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 748.
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