[71] Sufismus (Sofismus, Ssufismus), der religiöse Mysticismus der muhammedanischen Mönchsorden in Indien u. Persien, genannt nach ihren Anhängern, arab. Sufi, d.i. die Wollbekleideten, weil sie wollene Kleider tragen. Der S. ist eigentlich ein pantheistisches System, wornach der Mensch Gott zu sich in die Natur herabzieht, denselben in den abstracten Begriff des Seins verwandelt u. sich selbst als Theil des absoluten Seins mit ihm identificirt. Die Sufis unterscheiden drei Stufen od. Stationen in ihrem Orden: die erste Stufe heißt die der Methode, die zweite die der Erkenntniß, die dritte die der Gewißheit. Auf der Stufe der Methode ist der Jünger noch ein bloser Moslem, wird als ein äußerlicher Mensch betrachtet, ihm ist Gott ein äußerlicher, transcendentaler Begriff, welchen er außer sich sucht U. verehrt, u. er hat die gewöhnlichen Reinigungen u. Gebete nach Gesetz u. Überlieferung regelmäßig durchzumachen. Die längere od. kürzere Dauer dieser Periode hängt von dem Ermessen des Pir ab, unter dessen Leitung der angehende Sufi sich gestellt hat. Auf der Stufe der Erkenntniß, der Übergangsperiode von dem Äußerlichen zum Innerlichen, gelangt der Sufi zu der Erkenntniß, daß alle äußere Religionsübung nur Schein, nur für die am Äußerlichen hängende Masse ist, für den Wissenden aber keinen innern Werth hat, daher er nach u. nach alle Dogmen des Islam aufgibt u. die Werte u. Gebote abgelegt, dagegen studirt er auf dieser Übergangsstufe die Schriften, worin die Begründung des S. gefunden wird, in Persien bes. das Manaswi von Gebal-ed-din Rumi u. den Hafiz, in Indien, namentlich in Sindh, den Diwan von Add-al-Latif Schah u. die in sufisches Gewand gekleideten alten Balladen u. Erzählungen. Neben diesem Studium geht die Ascese her, wobei der Sufischüler still sitzend die Augen erst halb, dann ganz schließt, um den Außendingen den Eingang in seine Seele zu wehren, u. alle Begierden des Fleisches tödten muß. Auf der Stufe der Gewißheit ist der Sufi vollkommen zu der Erkenntniß gekommen, er hat Gott in sich selbst gefunden, weiß sich als einen Theil der Gottheit, ja als Gott selbst; für ihn gibt es keine Sünde mehr, alle äußerlichen Religionsbeobachtungen u. alle Ascese hören für ihn auf. Als Stifter der Sufi's wird Said-Abul-Chair um 820 n. Chr. genannt; von den berühmten persischen Dichterwerken gehören, außer den genannten, noch zu den Schriften der Sufi's: Hadika von Senaji, Mentek ettair u. Dehawahir essat von Ferid-ed-din Attar; in Indien ist der S. mit dem Vedanta-System fast ganz zusammengefallen. Die Lehre u. Geschichte des S. findet sich in Hammers von Purgstall Ausgabe des Gülschen-i ras, Pesth 1838; in Silvestre's de Sacy Analyse der mystischen Schriften des Dschami, im 12. Bde. der Notices et extraits, in Tholucks S. s. Theosophia Persarum pantheistica, Berl. 1821, u. Blüthensammlung der morgenländischen Mystik, ebd. 1825; Krehl, Die Erfreuung der Geister von Omar, türkisch u. deutsch, Lpz. 1848; Fleischer u. Trumpp, in Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, 1862, Bd. XVI, S. 235 ff.