[475] Verheimlichung, 1) das absichtliche Heimlichhalten einer Thatsache. Als ein an sich blos in einem Unterlassen bestehendes Thun (Omissivhandlung) unterliegt die V. selbst in Bezug auf begangene od. bevorstehende Verbrechen, von denen Jemand[475] zufällig Kenntniß erlangt hat, der Regel nach keiner Bestrafung; eine Ausnahme davon findet nur statt, insofern a) hinsichtlich gewisser schwerer u. der bürgerlichen Ordnung bes. gefährlicher Verbrechen das Gesetz es als eine allgemeine Schuldigkeit der Staatsbürger erklärt dieselben der Obrigkeit nicht zu verheimlichen. Dahin gehört insbesondere die Verpflichtung bei erlangter Kenntniß von einem beabsichtigten hochverrätherischen Unternehmen Anzeige bei der Obrigkeit zu machen; b) insofern gewissen Beamten die besondere Verpflichtung auferlegt ist, entweder die Verbrechen überhaupt od. gewisse Arten derselben, wenn sie ihnen bekannt geworden, zur Anzeige zu bringen, wie z.B. Gendarmen u. Polizeibeamten, so wie nach reichsgesetzlicher Vorschrift den Justizbeamten bei an ihnen verübten Bestechungsversuchen; c) insofern die V. unter den Begriff der Begünstigung fällt, was dann der Fall ist, wenn Jemand absichtlich die Anzeige eines begangenen Verbrechens od. des Aufenthaltes eines Verbrechers unterläßt, um den Letzteren vor den rechtlichen Folgen seines Verbrechens sicher zu stellen u. ihm bei seiner Flucht behülflich zu sein. Als eine erschwerende Rücksicht kommt dabei in Betracht, wenn durch die V. Andere in unschuldigen Verdacht od. gar in Hast gekommen sind, während gewisse zwischen dem Verheimlichenden u. dem Verbrecher bestehende Verbindungen, wie z.B. Verwandtschaft, Freundschaft, Dankbarkeit, die Strafbarkeit mindern. Besondere Verbrechensarten sind 2) die V. der Schwangerschaft u. die V. der Entbindung od. der Geburt. Die V. der Schwangerschaft wird nur als ein Polizeivergehen aufgefaßt u. als solches mit geringer Gefängnißstrafe geahndet; da in ihr allein, d.h. ohne gleichzeitige V. der Geburt, noch keine Gefahr für das Leben des Kindes liegt u. ihr häufig selbst moralisch unvermeidliche Motive zu Grunde liegen. Dagegen gilt die V. der Geburt als wirkliches Criminalverbrechen, wobei der maßgebende Gesichtspunkt ist, daß ein solches Verfahren häufig durch den Entschluß der Mutter zu einem Kindesmord bedingt ist, in jedem Falle aber die Gefahr der Tödtung des Kindes durch Unterlassung der nöthigen Hülfeleistung nahegelegt ist. Die Niederkunft gilt dann als verheimlicht, wenn die unehelich Schwangere unter Umständen, wo sie zu der Entbindung den Beistand einer anderen Person haben konnte, absichtlich ohne einen solchen Beistand od. wenigstens nur in Gegenwart solcher Personen geboren hat, welche mit ihr im Einverständniß waren. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Gebährende die ihr mögliche Herbeirufung von Personen unterlassen, od. ob sie im Vorgefühl ihrer Niederkunft sich an einen Ort begeben hat, wo ihr dies Hülfesuchen gar nicht mehr möglich war. Der Thatbestand des Verbrechens ist mit der hülflosen Geburt vollendet. Es gehört daher nicht dazu, daß das Kind auch in Folge derselben wirklich Schaden leidet, auch nicht, daß das geborene Kind nach der Geburt bei Seite geschafft wurde. Beide Umstände bilden nur Erschwerungsgründe des Verbrechens, od. es geht unter Umständen dadurch das Verbrechen in schwerere Verbrechen über. Dies ist namentlich der Fall, wenn die Mutter die Absicht hatte das Kind zu tödten; je nachdem diese Absicht von ihr erreicht wurde od. nicht, liegt dann ein Kindesmord od. der Versuch eines solchen vor. Kann der Mutter die Absicht der Tödtung zwar nicht nachgewiesen werden, kam das Kind aber in Folge der verheimlichten Entbindung um das Leben, od. wurde es an seiner Gesundheit beschädigt, so tritt mit dem Verbrechen der V. der Geburt zugleich das Verbrechen fahrlässiger Tödtung od. Körperverletzung in Concurrenz. Bei der Absicht das Kind mittelst der verheimlichten Geburt auszusetzen concurrirt das Verbrechen der Kindesaussetzung. Die einfache V. der Geburt, ohne daß das Kind Schaden nahm, od. bei welcher das Kind todt geboren wurde, wird in der Regel mit Gefängniß von einigen Wochen bestraft. Wurde die Mutter von der Geburt überrascht, so ist der Begriff des Verbrechens ausgeschlossen. Doch verpflichten manche Gesetze, z.B. das Österreichische, selbst in einem solchen Falle die uneheliche Mutter, unter Androhung polizeilicher Strafe, ihre Leibesfrucht einem Arzte, einer Hebamme od. obrigkeitlichen Person anzuzeigen. Vgl. Leviseur, Erörterung der V. der Schwangerschaft u. Niederkunft, Posen 1837; Cohen van Baren, Zur gerichtsärztlichen Lehre von verheimlichter Schwangerschaft, Berlin 1845.