[164] Widerklage (Gegenklage, Gegennothdurft, Gegen- od. Widerrecht, Reconventio, Petitio mutua), diejenige Klage, welche einer andern, bereits rechtshängigen Klage (Hauptklage, Vorklage, Conventio) gegenüber in demselben Processe u. vor demselben Richter zum Behufe gleichzeitiger Verhandlung u. Entscheidung von dem Beklagten gegen den Kläger angestellt wird. Die W. unterscheidet sich hiernach bestimmt sowohl von dem Verhältnisse in einem sogenannten Judicium [164] duplex, in welchem, wenn auch jede der beiden Parteien als Kläger auftreten kann, doch nur eine Klage über das nämliche Streitverhältniß vorliegt (z.B. bei Theilungsklagen), als auch von einer bloßen Einrede, indem bei letzter der Excipient blos die Abweisung des Klägers zu bewirken sucht, bei der W. dagegen auch die Verurtheilung des Klägers erstrebt wird. Die älteren deutschen Reichsgesetze gebrauchen für die W. den Ausdruck: den Kläger in das Widerrecht fassen. Die Zulassung einer W. setzt voraus, daß entweder das Gericht, bei welchem dieselbe angestellt wird, auch schon ohnehin in Bezug auf den Widerbeklagten competent ist, od. daß die besondern Bedingungen des Gerichtsstandes der W. begründet seien. Diese letzteren bestehen aber darin, daß der Richter wenigstens für die Vorklage competent sein muß, daß der Gegenstand der W. nicht etwa seiner eigenthümlichen Beschaffenheit wegen der Jurisdiction des Richters gänzlich entzogen sein darf u. daß die W. jedenfalls noch im Laufe des durch die Vorklage veranlaßten Verfahrens, in der Regel in Verbindung mit der Einlassung auf dieselbe vorgebracht sein muß. Die Wirkung einer zulässigen W. besteht darin, daß dieselbe mit der Vorklage gleichzeitig in den nämlichen Acten instruirt u., wenn beide zugleich spruchreif werden, auch in demselben Urtheil entschieden wird (sog. Effectus simultanei processus). Doch muß sich, um diese Wirkung hervorzubringen, die W. auch wirklich zu derselben Proceßart eignen, wie die Vorklage; sie darf ferner auch nicht zu letzter in einem solchen Verhältniß stehen, daß ihre Begründung von der vorgängigen Entscheidung der Vorklage abhängt, u. endlich darf die gleichzeitige Instruction beider Klagen nicht etwa voraussichtlich mit der Gefahr einer Unordnung u. Verwirrung im Proceßgang verbunden sein. Eine innere Connexität der Wider- u. Vorklage ist dagegen ebenso wenig erforderlich, als eine Gleichartigkeit beider Klagen. Verschieden von der W. ist die sogen. successive od. uneigentliche W., welche erst erhoben u. über welche erst verhandelt wird, wenn der Proceß über die Hauptklage bereits geendigt, wohl auch erst, nachdem schon das Urtheil gesprochen od. die Execution vollzogen worden ist. Dieselbe ist ein Product des Sächsischen Rechtes u. begründet nur die Identität des Richters, nicht auch des Processes. Die Wechselseitigkeit beider Klagen ist dabei völlig aufgehoben, weshalb diese Art der W. auch richtiger als Nachklage bezeichnet wird. Vgl. Sartorius, Lehre von der W., Erl. 1838.