Züchtigung

[707] Züchtigung (lat. Castigatio), 1) die Zufügung eines sinnlichen Übels für eine Vergehung behufs der Besserung; 2) das in dieser Beziehung zugefügte sinnliche Übel selbst. Die Z. unterscheidet sich dadurch von Strafe im eigentlichen Sinne, daß diese das durch das Rechtsgesetz wegen Störung des Rechtsgebietes zugefügte Übel, die Z. aber mehr auf die Erziehung zum Bessern berechnet, also Disciplinarsache ist. Indeß wird die Z. auch oft als Strafe angewendet, theils bei geringen Vergehen, welche mehr eine disciplinelle Zurechtweisung, als eine eigentliche criminelle Strafe rechtfertigen; theils in Fällen, wo eine besondere Verstocktheit od. das jugendliche Alter des Verbrechers ein Einwirken auf seine Charakterbesserung wünschenswerth erscheinen lassen. Körperliche Z. heißt hier im engern Sinne die Zufügung von Peitschen-, Stock- od. Ruthenstreichen (Virgindemia). Das Züchtigungsrecht, d.h. das Recht Jemand mit einer körperlichen Z. zu belegen, steht vor Allem den Eltern wider die Kinder vermöge der ihnen obliegenden Erziehung derselben zu. Doch darf diese Z. nicht über das Maß des Nöthigen hinausgehen, so daß Eltern, welche dabei das Kind[707] an seiner Gesundheit beschädigen, nach Umständen strafbar werden. Auch den Lehrern u. Erziehern ist ein mäßiges Züchtigungsrecht beizulegen; bei öffentlichen Anstalten pflegt das Maß der Z. hier noch besonders durch die Bestimmungen über die Disciplinarmittel festgesetzt zu sein. Nicht so kann dem Dienstherrn gegen den Dienstboten dies Recht zugestanden werden, wenn nicht, wie dies allerdings manche Gesindeordnungen thun, das Gesetz zu einer mäßigen Z. auch hier Erlaubniß ertheilt. Eben so widerstrebt die Einräumung eines Züchtigungsrechtes an den Ehemann gegenüber der Ehefrau durchaus der rechtlichen u. sittlichen Natur der Ehe; richtig ist hier nur, daß eine vorgekommene Thätlichkeit nicht ohne Weiteres als Beleidigung bestraft wird, u. daß geringere Thätlichkeiten gegen die Ehefrau noch keinen Grund die Ehescheidung zu verlangen bieten können. Sehr verschieden sind, wenn auch weniger unter den Theoretikern, als unter den Praktikern, die Ansichten darüber, in wie weit der Staat die Z. unter den öffentlichen Strafmitteln beizubehalten habe. Vgl. Strafe S. 887.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 707-708.
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