[697] Zorn (lat. Ira), der lebhaft auf wallende, durch leidenschaftliche Worte, Geberden u. Handlungen sich kundgebende Unwille über Beeinträchtigungen von Rechten, Hemmungen von Strebungen od. überhaupt Störungen des Wohlbehagens. Die vorwaltende Geneigtheit, selbst bei geringfügiger Veranlassung, sich zu gewaltsamen Ausbrüchen des Z-s hinreißen zu lassen, heißt Jähzorn. Unter allen Affecten spricht sich der Z. am stärksten in den Gesichtszügen u. Geberden aus u. gibt sich durch dunklere Röthe des Gesichtes, Rollen u. Hervortreten der glänzenden Augen, Zusammenziehen der Stirn, Anschwellen der Stirnadern, Zähneknirschen, Verziehen des Mundes, Ballen der Fäuste, Anspannung der Muskeln, Drohungen u. Scheltworte deutlich zu erkennen. Als allegorische Gottheit galt den Alten der Z. als Tochter des Äther u. der Erde. Die Ansichten über den Z. Gottes, von welchem die Bibel redet, u. welcher gegen die Sünden der Menschen im Allgemeinen u. besonders gegen die Verächter des Gesetzes u. des Evangeliums gerichtet ist, sind bei den Dogmatikern sehr verschieden, sowohl rücksichtlich seines Verhältnisses zur Gerechtigkeit, als auch seiner Wirklichkeit neben der Liebe u. Barmherzigkeit; in erster Beziehung identificiren Manche Z. u. Gerechtigkeit Gottes, Andere halten den Z. Gottes für einen coordinirten Gegensatz zu der Liebe Gottes auf der Grundlage der Heiligkeit Gottes, die Gerechtigkeit aber für einen mehr abgeleiteten Begriff; in der letztern Beziehung haben Einige die Aussagen vom Z. Gottes blos für Anthropopathismen einer alten Zeit gehalten, welche die göttliche Gerechtigkeit nach menschlichen Affecten schildern; Andern ist der Z. Gottes die Manifestation der Gerechtigkeit als heimsuchender Strafgerechtigkeit nach vergeblicher Langmuth, aber begleitet von heilender Barmherzigkeit. Vgl. Lactantius De ira dei; Ritschl, De ira dei, Bonn 1859; Weber, Vom Zorne Gottes, Erl. 1862.