Aehre

1. Aehre auf Aehre gibt auch Brot.


2. Aus dieser Aehre ist weiter kein Korn zu dreschen.


3. Besser viel Aehren, als viel Quecken.


4. Die volle Aehre ist mehr werth, als der leere Halm.


[41] 5. Eine Aehre, die aufrecht steht, ist leer.


6. Eine brennende Aehre verzehrt die Garbe.


7. Eine volle Aehre ist besser als zehn hohle.


8. Es ist nicht jede Aehre voll, die sich senkt.

Nicht jeder, der den Kopf hängt, ist fromm und – gescheidt.


9. Hast du volle Aehren genommen, du kannst auch taube bekommen.


10. Hundert taube Aehren können keinen Sperling nähren.


11. Je hohler die Aehre, desto höher die Nase.


12. Leere Aehren sind schlimme Nachharn für die vollen.


13. Leere Aehren stehen aufrecht.

Die wetterauer Bauern sagen vom Roggen: »er junkert«, wenn sich viel starke Halmen darin befinden, die mit ihren leeren Aehren über andere hervorragen. Im Schwedischen heisst »junkeren« müssig gehen.


14. Schwere Aehren und volle Köpfe neigen sich.Sprichwörtergarten, 72.


15. Taube (volle) Aehren kennt man schon am Halme.

Das Alter trägt noch gewisse Spuren an sich, die es errathen lassen, was jemand in der Jugend gewesen ist oder gethan hat.

Lat.: Ex stipula cognoscere. (Erasm., 156.)


16. Wer auch nur eine Aehre aus Hunger bricht, den schont die Pharisäerzunge nicht.


17. Wer die Aehre zu dürr werden lässt, verliert die Körner.

Man muss die rechte Zeit abwarten, aber nicht verstreichen lassen, ohne sie zu benutzen.


18. Wer für die Aehre dankt, der bekommt eine Garbe.

Lat.: Beneficia beneficiis pertexito, ne perpluant.

Ung.: A háláadó sziv, sok jotéteményt várhat.


*19. Er hat noch Aehren für andere liegen lassen.

Er hat andern noch eine Nachlese gelassen. Es ist noch ein kleiner Gewinn für andere übrig. Es lässt sich über den Gegenstand, den er behandelt hat, noch manches sagen.

Frz.: Il a laissé à gluner apres lui.


*20. Er will auch eine Aehre (kleinen Beitrag) dazugeben.Luther.


[Zusätze und Ergänzungen]

zu6.

Holl.: Eene brandaar kan de beste schoof bederven. (Harrebomée, I, 4.)


zu13.

Dän.: De galde an staae i vey ret, men de fulde helde ned.

Slov.: Visoko glavi (obruz) nosi pragen klas.


zu14.

Frz.: Filles, regardez l'épi du blé, quand elle est bonne, elle baisse la tête.

Holl.: De volle korenaren hangen 't laagst. (Harrebomée, I, 4.)

20. Cha me d' Aehri nüme zelle, so lid's Chorn i siebe Woche uf der Selle.1 (Luzern.)

1) Schwelle, Thürselle = Thürschwelle. (Stalder, II, 370.)


21. Eine Aehre macht keine Garbe.

Zu einer Garbe gehören viel Aehren, sagen die Russen. – Altmann, VI, 466.


22. Je voller die Aehre, je mehr neigt sie sich.

Böhm.: Cém plnĕjší klas, tim hłoubĕ se kloni. (Čelakovský, 95.)


23. Wenn die Aehre voll ist, lobt der Bauer das Korn.

Dän.: Bonden roser kornet, naar aaet er fuidt. (Prov. dan., 80.)


24. Wenn die Aehren zu viel Körner haben, so schilt sie der faule Bauer beim Dreschen. Altmann VI, 470.


25. Wie die Aehren, so die Garben.Altmann VI, 470.


26. Zwô Ère klû si biesser, wä în alu.Schuster, 827.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 5. Leipzig 1880, Sp. 726.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Die beiden »Freiherren von Gemperlein« machen reichlich komplizierte Pläne, in den Stand der Ehe zu treten und verlieben sich schließlich beide in dieselbe Frau, die zu allem Überfluss auch noch verheiratet ist. Die 1875 erschienene Künstlernovelle »Ein Spätgeborener« ist der erste Prosatext mit dem die Autorin jedenfalls eine gewisse Öffentlichkeit erreicht.

78 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon