1. Alle Schuster gehen burfüss (barfuss). (Jüd.-deutsch. Warschau.)
2. Besser dem Schuster als dem Apotheker.
Frz.: Mieux vaut user de souliers que de draps. (Cahier, 1662.) – Mieux vaut user ses souliers pour aller voir son maître, que son chapeau à force de la saluer. (Cahier, 1004.)
Schwed.: Bättra rikta skomakaren än apothekaren. (Wensell, 12.)
3. Biss ein teutscher Schuster den Werckzeug zusammensucht, hat ein welscher ein gantz paar Schuh gemacht. – Petri, II, 46.
Ob sie aber auch so lange halten als ein Paar deutsche?
4. De Schôster hett gewöhnlich dat langst' Föttüg (Fusszeug). (S. ⇒ Schmied 17 und ⇒ Schornsteinfeger 4.)
Schwed.: Skomakaren har ofta söndriga skoor. (Grubb, 725.)
5. De Schoster hett immer de tweisten1 Schöh. – Diermissen, 248.
1) D.i. die zerrissensten Schuhe. Zugleich als Abfertigung für die, welche sich um fremde Angelegenheiten bekümmern und darüber ihre eigenen versäumen.
6. Dem Schuster ist der Schuh wichtiger als der Fuss. – Altmann VI, 481.
7. Der Schoster recht nô Bêch. (Siebenbürg.-sächs.) – Schuster, 499.
8. Der Schuster bleib' bei seinem Leisten. (S. ⇒ Lernen 8.) – Bücking, 122; Eiselein, 420; Simrock, 9227; Gaal, 1389; Lange, 70; Franck, Zeytbuch, CVb; Müller, 69, 2; Ramann, Unterr., III, 4; Philippi, I, 42; Braun, I, 2333; Körte, 5417; Körte2, 6771; Lohrengel, II, 598; Dove, 74, 78, 775, 1027 u. 1174; für Waldeck: Curtze, 342, 351.
»Das man nit sag: Schuster, fahr schon, lass vrtheil vbern Schuh nit gan.« (Waldis, II, 33, 37.) »Tänk an dit Spreckwurd: Sütter, bliif bi din Leesten.« (Hansen, 4.) Die eitle Beschränktheit mischt sich gern in alles. Ein gediegener Kopf verlässt nie die Grenzen seines bestimmten Wirkungskreises; aber er weiss auch, dass die Welt nicht durch seinen Leisten begrenzt ist, dass es jenseits desselben auch noch etwas gibt, und er hat mitunter das Bedürfniss, zu seiner Erfrischung einen Blick hinter seinen Berufsleisten zu thun. Ueberdies muss der Schuster auch bei seinem Leisten sein, wenn er dabei bleiben soll. Ueber die Vorliebe mancher Menschen für einen fremden Beruf vgl. Allgem. Anzeiger der Deutschen, Gotha 1836, Nr. 254. »Bei leisten, drät vnd pech der Schumacher sol bleiben vnd die gelehrten Leut lassen die Bücher schreiben.« (Zinkgref, IV, 83.) Ein Schuhmacher in Siena, der das Sprichwort oft gehört und sich darüber geärgert hatte, stiftete von seinem grossen Vermögen ein Hospital und liess über den Eingang seine Büste anbringen [398] mit der entgegengesetzten Unterschrift: Sutor ultra crepidam = der Schuhmacher geht über den Leisten hinaus. (Ruppius, Sonntagsblatt, Berlin 1865, Nr. 6, S. 48.) Das Sprichwort ist schon ein paar tausend Jahre alt und griechischen Ursprungs. Der berühmte Maler Apelles pflegte die von ihm vollendeten Gemälde den Vorübergehenden so zur Ansicht auszustellen, dass er hinter dem Gemälde ihre Urtheile über sein Kunstwerk zu hören vermochte. Ein Schuhmacher tadelte nun einmal, dass die Schuhe auf dem Bilde eine Oese zu wenig hätten. Appelles brachte dieselbe an. Als nun aber derselbe Schuhmacher, stolz, dass infolge seiner Bemerkung die Verbesserung vorgenommen sei, auch den Schenkel zu tadeln sich unterfing, rief der unwillige Maler hinter dem Bilde hervor: Was über den Schuh ist, muss der Schuster nicht beurtheilen. (Vgl. Büchmann, 6. Aufl., S. 157.) Ein ähnlicher Fall wird vom Maler David erzählt, der auch ein Gemälde ausgestellt hatte, das die Menge bewunderte, während ein Kutscher es mit misfälligem Blick betrachtete. Der Maler, der es bemerkte, fragte nach dem Grunde. »Ja«, sagte er, »der Maler hat ein Pferd mit schaumbedecktem Maul gemalt, obgleich dasselbe keinen Zaum trägt.« David beseitigte später den Schaum.
Böhm.: Nemudruj švec přes kopyto. – Počitej vojáku rany, a ty pastucho berany. (Čelakovsky, 220.)
Engl.: Let the cobbler stick to his last. – Who goes worse shod than the shoemaker's wife and the smith's mare?
Frz.: Chacun doit se mêler de son métier, les vaches sont bien gardées. – Chacun son métier. (Lendroy, 824.) – Cordonnier, mêle-toi de ta pantouffle.
Holl.: Schoenmaker, houd u bij uwe leest. (Harrebomée, II, 256a.)
Lat.: Felices artes futuras, si soli artifices de iis judicarent. (Quinctilian.) (Eiselein, 420.) – Memento in pellicula, cerdo, manere tua. (Gaal, 1389.) – Ne sutor supra crepidam. – (Binder I, 1109; II, 2010; Eiselein, 420; Erasm., 88; Frob., 472; Gaal, 1389; Egeria, 147; Fischer, 149, 50; Hauer, Lij; Philippi, II, 20; Seybold, 345; Hanzely, 46.) – Quam quisque norit artem, in hac se exerceat. (Rhodin, 110.)
Schwed.: Skomakare blif wid din läst. (Marin, 24; Rhodin, 118; Grubb, 726.)
Span.: En casa del herrero cuchillo de palo. – Zapatero, á tu zapato. (Bohn I, 221 u. 262.)
9. Der Schuster bückt sich vor einem Reiter mehr als vor einem Fussgänger.
Obgleich er vom letztern mehr Nutzen hat, weil er mehr Schuhe verbraucht.
Böhm.: Jezdce švec pozdraví, pĕšimu se pokloní. (Čelakovsky, 286.)
10. Der Schuster geh' zu seinem Leder und der Schreiber behalte die Feder. – Parömiakon, 435.
11. Der Schuster hat die schlimmsten Schuhe. – Bücking, 217; Simrock, 9228.
Diejenigen, welche sich in irgendeiner Kunst auszeichnen, vernachlässigen sich gewöhnlich selbst. Die Russen: Wenn der Seiler etwas binden will, fehlt's ihm an einem Strick. (Altmann V, 98.)
Böhm.: Nejhorší boty u ševce. (Čelakovsky, 332.)
Engl.: Nobody is worse shod than the shoemakers wife.
Frz.: Les cordonniers sont ordinairement les plus mal chaussés. (Lendroy, 357; Gaal, 1142; Rhodin, 111.)
It.: Il calzolajo va a piè nudi.
Poln.: Najgorsze boty u szewca. (Čelakovsky, 332; Masson, 309.)
Port.: Alfaiate mal vestido, sapateiro mal caleado. (Bohn, I, 265.)
12. Der Schuster hat zwei lange Zähn, damit er kann das Leder dehn. – Hönn, 358.
Die Finnen: Der Schuster gehört zu dem Geschlecht der Wölfe, er isst Fleisch und Leder. (Bertram, 67.)
13. Der Schuster macht erst einen Stiefel fertig, ehe er den andern anfängt.
Empfiehlt, erst ein Geschäft zu beenden, ehe man wieder ein anderes beginnt.
Böhm.: Švec, dokud jedné boty neušije, druhé nezačíná. (Čelakovsky, 132.)
14. Des Schusters Frau geht in geflickten Schuhen zur Schau.
Ebenso die Russen Altmann, V, 97, und auch ferner: Des Müllers Frau muss ihr Brot aus dumpfem Mehl backen. (Altmann VI, 395.)
Schwed.: Skomakarens hustru och smedens märr äro alltid sämst skodda. (Marin, 24.)
15. Die Schuster gehen in die Kirche, um Gott zu bitten, dass er Schafe sterben lasse.
16. Die Schuster vertreten die schlimmsten Schuhe, für die besten nemen sie Geld. – Petri, II, 144.
17. Ein predigender Schuster macht schlechte Schuhe. – Dove, 94 u. 481.
Ob man noch Proben von Hans Sachs' und Jakob Böhm's Schuhmacherarbeit haben mag, womit man das vorstehende Sprichwort rechtfertigen oder widerlegen könnte? In Mailand lebte noch um das Jahr 1840 ein Schuhmacher, der eine sehr werthvolle Sammlung von [399] Kunstgegenständen, Gemälden aus alten Schulen, Sculpturen u.s.w. besass und dabei in seinem Fache so tüchtig war, dass er sich mit den Geschicktesten messen konnte. In Hirschberg lebte ebenfalls um das Jahr 1830 ein Schuhmacher, der eine bedeutende von ihm selbst angelegte Mineraliensammlung, viel Natursinn wie Naturkenntniss besass und – dabei gute Schuhe machte.
18. Ein Schuster, der schlechte Stiefeln macht, kommt in die Hölle. – Simrock, 12389.
19. Ein Schuster sol nicht weiter klügeln, denn von seinem Leisten. – Petri, II, 225.
20. Jeder Schuster schilt seinen Draht.
Holl.: Ieder schoenmaker veracht zijn' eigen' pekdraad. (Harrebomée, II, 256a.)
21. Lieber dem Schuster als dem Apotheker. – Simrock, 9226; Körte, 5413.
22. Mag der Schuster brummen, wenn er nur gute Stiefeln macht.
23. Man kennt den Schuster, wenn er auch nicht auf dem Dreifuss sitzt.
Behauptet, dass jeder Stand und Beruf seine eigene Physiognomie habe, dass niemand sein Geschäft, seine Herkunft u.s.w. ganz verleugnen könne.
Lat.: Aliter catuli longe olent, aliter sues. (Plautus.) (Binder II, 126; Philippi, I, 20; Eiselein, 27; Seybold, 19.)
24. Mit dem Schuster ist nit gut zehren, umb das Zechgeben rauffen und schlagen sie. – Chaos, 111.
25. Schôsters Kinner gaht barft (barfuss). – Goldschmidt, 162.
Es scheint förmlich, als wenn die Schuster das Barfussgehen beförderten. So sagt der Landrath des Kreises Namslau in Schlesien in einer Statistischen Darstellung (1863, S. 9): »Reichthal zeichnet sich durch seine vielen Schuhmacher aus, indess dort viel barfuss gegangen wird.«
26. Schuester, Schneider, Leineweber verlogene Leuth. – Gruter, III, 79; Lehmann, II, 574, 42.
27. Schuster, bleib' bei dein Leisten. – Eiselein, 558; Körte, 5414; Masson, 17.
28. Schuster tragen verrissen Schuh. – Lehmann, 461, 9.
29. Schuster und Juristen gehören in eine Zunft, jene dehnen das Leder, diese die Vernunft.
»Ludwig XII. von Frankreich verglich oft die gewöhnliche Gesetzhandhabung seines Zeitalters bei den Juristen der Behandlung des Schuhleders. Wie die Schuster, sagte er, das Leder, welches bald zu kurz, bald zu dick ist, mit dem Hammer ausschlagen, oder mit den Zähnen beissen und ausdehnen; also sind es auch unsere Juristen gewöhnt, ihre Gesetze so lange zu zerren, zu dehnen, zu pochen und durch allerhand Künste herumzudrehen, bis sie mit ihren Absichten übereinzukommen scheinen.« (Witzfunken, Va, 60.)
30. Schuster und Schneider lügen gern.
31. Schusters Sohn weiss immer mehr als Schusters Geselle. (Hinterpommern.)
Weil er von Jugend auf in den Handgriffen geübt worden ist.
32. Wann de Schauster stirbt, es der Läuer (Lêr = Lohgerber) Erbe. (Sauerland.)
33. Wenn de Schauster stirbt, bekommt der Lohgerber das Fell. (Westf.)
34. Wenn der Schuster nicht beim Leisten bleibt, so bleiben die Kunden nicht beim Schuster. – Briefe aus Berlin; Dove, 417 u. 813.
35. Wenn der Schuster von Rom kommt, macht er Schuhe wie zuvor. – Parömiakon, 483.
Der römische Ablass macht die Sünder nicht fromm.
36. Wenn êr hât de Schoster wol hêl Stäweln un de Snîd'r hêl Bücks. (Altmark.) – Danneil, 278.
37. Wer ein Schuster, Becker oder Schmid soll werden, der giebt kein Maler. – Lehmann, 537, 12.
38. Wie der Schuster, so die Schuhe. – Parömiakon, 43.
39. Wo Schuster und Fuhrleute trinken, da ist das beste Bier. (Polen.)
40. Wovon de Schuster lewt, mot de Schnîder starwe. – Frischbier2, 3429.
Bezieht sich auf die Anekdote, nach der ein Schuster (oder Grobschmied) durch ein Gericht grauer Erbsen mit Speck vom Wechselfieber befreit wurde, während ein Schneider durch Anwendung desselben Mittels sich ums Leben brachte.
[400] *41. Auf des Schusters Rappen reiten. – Eiselein, 519; für Franken: Frommann, VI, 324, 350.
In Grubenhagen: Met Schausters Rappen föhren. Zu Fuss gehen.
Frz.: Aller sur la haquenée des cordeliers. (Leroux, I, 6.)
Lat.: Per pedes apostolorum. (Seybold, 1562.)
*42. Ein Schuster.
Früher als Schimpfwort wie ⇒ Schuhmacher (s.d. 13). »Denn mich daselbst kein visch nit kent vnd nit mehr einen Schuster nennt.« (Waldis, II, 19, 9.)
*43. Er ist auf Schusters Rappen angekommen.
Zu Fuss, mit dem Stock in der Hand.
Frz.: Il est venu sur la haquenée des cordeliers. (Lendroy, 867.)
*44. Er will Schuster werden, um sich die Schuhe selber machen zu können.
Die Russen: Pope werden, um seine Kinder umsonst taufen zu können. (Altmann VI, 514.)
*45. Es ist nicht Kunz Schuster, der redet. – Luther.
*46. Gut, Schuster, hierher auch einen Fleck. (Rottenburg.)
Um, ohne Ironie, zu sagen, dass etwas gut, dass man damit zufrieden ist.
*47. Gut, Schuster, wenn er nicht scheisst, dann hust't er. (Nürtingen.)
*48. Schuster, Pöchfiester, Drahtklemmer, schnurrt's! (Königsberg.) – Frischbier2, 3430.
*49. Schuster und Schneider werden dem nicht mehr viel anzupassen haben, aber der Tischler.
*50. Sie hat ihm den Schuster gegeben. (Königsberg.)
51. Einem Schuster gehört sein Schuwpech. – Theatr. Diabolorum, 396a.
52. Es gehört mehr zu einem Schuster als eine Ahle.
Die Engländer versichern, es gehören sechs Ahlen dazu: Six awls make a shoemaker. (Bohn II, 49.)
53. Es ist ein guter Schuster, der die Schuhe nicht zu gross oder zu klein macht. – Harssdörffer, 550.
Der ist ein guter Redner, welcher die Wahrheit ohne Schmuck und Schminke vorzutragen pflegt.
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