1. Alle Gedinge brechen gemeines Recht. – Graf, 24, 260.
Dies Sprichwort gibt den Massstab, nach welchem einzelne Rechtsgeschäfte zu beurtheilen sind. Zunächst entscheidet das besondere Uebereinkommen – Gedinge, Gelübde, Willkür – mit Ausschluss aller andern Rechte; und, wenn der Gegenstand nicht öffentliche, sondern nur die Rechte der Vertragenden betrifft, auch gegen jedes andere Gesetz, sei dies Land-, Stadt- oder gemeines Recht.
Mhd.: Alle gedinge brechen eyne gemeine recht. (Weichbildsglosse bei Daniels und Gruben, Rechtsdenkmäler des deutschen Mittelalters, 304, 1.)
2. Am Gedinge ist keine Folge. – Pistor., IV, 58; Hertius, II, 21; Eisenhart, 689; Simrock, 3134; Hillebrand, 801, 109; Eiselein, 214; Graf, 560, 82.
Das Sprichwort hat seine Quelle im sächsischen Lehnrecht. Die juridische Grundbedeutung von »Gedinge« ist »Vertrag« oder »Verabredung«. (Vgl. Grimm, Rechtsalt., 600; Schmeller, I, 379.) Unter Gedinge ist hier die durch ein Versprechen des Lehnsherrn jemand gegebene Anwartschaft auf ein Lehn zu verstehen, das er ihm geben wolle, sobald es erledigt werde. Wenn mit der gegebenen Anwartschaft nicht eine vorläufige Belehnung verbunden ist, so geht der Sinn des Sprichworts vorzüglich dahin, dass solche Anwartschaften widerruflich sind und den Erben desjenigen, der sie erhielt, noch kein Recht auf den Besitz des Lehns geben, wenn ihrer nicht besonders im Gedingbriefe gedacht worden, dass ferner die Kraft der Anwartschaft mit dem Tode des Versprechenden erlischt, sowie sie den gegenwärtigen Besitzer des Lehns in seinen Rechten nicht kränkt.
Mhd.: An 'me gedinge n'is nenn volge. (Homeyer, Sachsenspiegel, Berlin 1827, V, 1.)
3. Gedinge bricht Landrecht und Stadtrecht. – Graf, 24, 258; Eisenhart, 1; Estor, I, 21, 51; Eiselein, 214; Körte, 1823; Simrock, 3133.
Unter Geding ist ein Vertrag, eine Zusage oder ein Gelübde zu verstehen, was auch früher ein »bedingtes Recht« genannt wurde. Das Landrecht enthält die allgemeinen Bestimmungen, die im ganzen Lande zur Richtschnur bei Entscheidung von Streitigkeiten dienen, aber oft da, wo zwischen einzelnen Personen etwas Besonderes festgesetzt worden ist, nicht in Anwendung kommen können. Als Quelle des obigen Rechtssprichworts wird das sächsische Weichbildrecht angegeben: »Wente gelovede brect allerhande recht.« (Vgl. auch Hillebrand, 11.)
Mhd.: Gedînge brechent lantrecht. (Boner.) (Zingerle, 46; Kirchhofer, 42.) – Geding precht lantrecht vnd statrecht. (Ruprecht, II, 53.)
Lat.:Conventio est lex. (Binder I, 231; II, 579.)